200-jähriges Jubiläum von Bades Monochord

 

Ich bin Instrumentenbauer in Ostfriesland.

Über einen Umweg über das amerikanische Instrument Dulcimer und das Psalmodikon aus Schweden bin ich zu einer Textstelle gekommen von einem Herrn Bruun aus Dänemark um 1826, daß in Mecklenburg der Organist Bade ein Monochord gebaut hätte. Weitere Informationen gab es nicht . In Schweden wurden von 1835 bis 1920 etwa 100 000 Psalmodikons gebaut – so werden die Instrumente dort genannt.  Da hat mich der Bade natürlich interessiert !

In Schweden waren in der Zeit für Kirchenleute die Musikinstrumente „des Teufels“ . Besonders die Geigen waren in diesem Sinne betroffen. Man hat sie verbrannt! Dann hat man festgestellt, daß die Leute nicht singen können! Somit hat Pastor Dillner 1830 in Schweden ein kirchliches Gutachten erstellen lassen, daß sein Psalmodikon kirchlich kompatibel sei – nicht während des Gottesdienstes – aber davor, um die Gesänge einzustudieren.

Ähnlich war die Situation in deutschen Ländern.  „Wo man singt und spring, da ist der Teufel!“, war bei den Pastoren der Tenor.

In Mecklenburg war 1820 in Leussow (damals Loissow) der Organist Gottlieb Wilhelm Bade  mit einem kleinen Monochord (ca 32 cm Länge) in Gang, seine Orgelpfeiffen in rechter Stimmung zu halten. Da er die Sangesunfähigkeit seiner Leute feststellte, hat er dieses Monochord in verschiedenen Größen gebaut und damit besonders in der Schule seinen Schülern das richtige Singen beigebracht, so daß sogar drei- und vierstimmig gesungen werden konnte zum Staunen der Gemeinde ! Er hatte das Glück, daß in seiner Schule eine Klassengröße von 25 – 30 Schülern war und nicht, wie in der Zeit oft berichtet, 80 – 120 !!! Pastor Studemund aus Leussow (damals Loissow) hat ebenso eine Schrift herausgegeben mit Ziffernoten und dem Gebrauch des Monochords – 1822.

Im letzten Monat habe ich deutschlandweit 20 Nachweise von Gesangsbüchern in Ziffernschrift gefunden, die in jeder Druckerei preisgünstig herzustellen war. Gestochene Noten waren sehr teuer und in der Kirche hatte zumeist nur der Orgelspieler welche vorliegen.  Seit J.J. Rosseau um 1745 wurde die Zifferschrift gelobt, um ein preisgünstiges Notenmaterial zum Singen zu haben. Bade hat sein Melodienbuch, was ich in einer Bibliothek in MV  gefunden habe, ebenso in Ziffernschrift ausgeführt. Dazu eine ausführliche Spielanleitung für das Monochord.

Daß im Zentrum von Mecklenburg ein historisch-kulturelles Thema in Vergessenheit geriet, ist natürlich über 200 Jahre und etlichen Kriegen nachzuvollziehen. Aber sollte man das nicht wieder ausgraben und aktivieren? Der damalige Großherzog in Ludwigslust hatte am 7. März 1823 verfügt, daß jede Schule ein Monochord und Bades Buch habe sollte. Gleiches wurde von der königlichen Verwaltung in Potsdam verfügt. Das galt natürlich nur in seinem direkten Herrschaftsbereich. Auf den adeligen Rittergütern wurden die Jungs lieber zum Diestelstechen gebraucht und die Mädels zum Gänsehüten ! Der Schulbesuch war somit sehr eingeschränkt. 10 – 12 Wochen im Winter waren genug. Am 7. März 1823 ergeht eine Empfehlung des Großherzogs an alle Schulen im Lande, daß das Monochord und das dazugehörige Buch angeschafft werden sollte.  SOLLTE !  Am 16. Februar 1826 wird selbiges befohlen !!! Die Schulen waren wohl etwas „kniepig“ (wie es hier in Ostfriesland heiß)  Knipp ist das Portemonaie. Eine weitere Anordnung besagte, daß, wenn der Schullehrer verstarb und das Instrument und das Buch beschädigt gewesen wären, die Witwe selbiges zwecks Erneuerung zu bezahlen hätte. (!!!)

In Schweden gibt es etliche Gruppen, die das Psalmodikon traktieren. Ebenso gibt es die in den USA, wo ab 1855 auch Pastoren aus Schweden auftauchten, um auf abgelegenen Farmen oder Dörfern ohne Kirche die religiösen Dinge zu praktizieren.  Ganz besonders wichtig scheint mir das Thema zu sein, weil der Bade 10-15 Jahre vor den Skandinaviern diese Instrumente gebaut hatte. 200 Instrumente hat er gebaut (bzw. vom Tischler des Dorfes bauen lassen) Die Hofmusiker von Ludwigslust gaben sich sehr interessiert.  Dieses Jahr 2020 ist das 200-jährige Jubiläum von Bades Monochord!

Müßten da nicht 6 – 8 Leute in der Kirche von Leussow ein Monochord-Konzert geben u.U. mit Gesangsunterstützung einiger aus dem Kirchenchor?  Das könnte doch ein kulturhistorisches Event werden, wenn nicht gerade vom daneben liegenden Schießplatz des Militärs Kanonendonner rollt !

 

Ich war im vorigen Arbeitsleben Gymnasiallehrer für Kunst und Werken. Mein Arbeitsplatz war jedoch Haupt und Realschule + Orientierungsstufe. Ich habe viele Kurse im Instrumentenbau auch in den Ferien für Erwachsene angeboten. 2004 kam der nds. Kultusminister auf die glorreiche Idee, die OS  aufzulösen und alle Gym-Lehrer zum Gym. Zu verweisen. Gleichzeitig wurde das Fach Werken am Gym gestrichen. Da das mein „Lebenselexier“  war, mußte ich für mein Selbstwertgefühl draufsatteln. Ich habe dann in Markneukirchen und Aurich in zwei Jahren meine Meisterprüfung als Instrumentenmacher bewerkstelligt.

 

Wilfried Ulrich, Januar 2020

http://www.ulrich-instrumente.de/

 

 

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