Zusammenstellung der verschiedensten Schriftstücke aus der / über die Griese Gegend

 

Erzählungen_Sagen_Gedichte_Zeitungsberichte_Aberglauben_Redensarten

 

aus

 

Alt Jabel, Alt Kaliß, Alt Krenzlin, Bockup, Dömitz, Eldena, Findenwirunshier, Göhren, Grabow, Grebs, Hagenow,

Heiddorf, Karenz, Leussow, Loosen, Ludwigslust, Malk, Malliß, Neustadt, Picher, Polz, Schmölen, Woosmer

 

 

Titel , Autor , Jahr der Veröffentlichung/Niederschrift , Ort der Handlung (wenn bekannt)

[unter der Tabelle finden Sie eine weitere Tabelle, sortiert nach den Namen der Autoren]

 

1741: „Pferdemusterung“ und ihre Folgen, Rolf Roßmann, 1998, Alt Kaliß

1807, Johann Christoph David Joachim Dieterich Hartmann, 1807, Dömitz

1985 begeht Grebs das 700jährige Jubiläum, Hans-Ulrich Thee, 1984, Grebs, Karenz, Eldena

Ach viel zu früh bist du von mir gegangen, Andreas Friderich Jacob Koch, 1814, Gammelin

Als die Elde zum ersten Male erwähnt wurde, Hans-Ulrich Thee, 1979, Eldena

Als noch getreidelt wurde, Hans-Ulrich Thee, 1979, Eldena

Anekdote um eine Präsidententochter, Rolf Roßmann, 1998, Malliß

Christenglauben, Hans Heinrich Klatt, 1944

Das erste Veloziped in Ludwigslust, Hans Heinrich Klatt, 1959, Ludwigslust

Das Grab des Slawenkönigs Wantzka bei Karenz, (1985), Karenz

Das untergegangene Kloster im See bei Neustadt, V. zu W., 1859, Neustadt-Glewe

Das „Weiße Moor“ urbar gemacht, Ludwigsluster Tageblatt, 1933; Loosen

Dei Spök von ’n Wischengang, Hans Heinrich Klatt, 1956, Eldena

Der Bau der Eisenbahn Ludwigslust - Dömitz brauchte einen langen Anlauf, Rolf Roßmann, 1996, Ludwigslust/Dömitz

Der Gefangene von Grebs, (1985), Grebs

Der Hexenmeister von Leussow, (1985), Leussow

Der lange Tischler, Rolf Roßmann, 1998, Alt Kaliß

Der spukende Bürgermeister auf dem Mittelwerder bei Dömitz, L. Kreutzer, 1859, Dömitz

Der spukende Trommelschläger in dem unterirdischen Gange zwischen der Festung Dömitz und der hannoverschen Stadt Danneberg, G. F. C. Neumann, 1859, Dömitz

Die alte Mühle, Bernhardine Schencke, 1895; Hagenow

Die Baugeister, Bernhardine Schencke, 1895; Ludwigslust

Die Dorfstelle bei Grabow, 1856, Grabow

Die goldene Wiege im Kibitzberge bei Dömitz, L. Kreutzer, 1856, Dömitz

Die Kinderkuhle bei Dömitz, L. Kreutzer, 1856, Dömitz / Polz / Schmölen

Die Mühlenwerke Markurth in Findenwirunshier, Hermann Otto, 1933; Findenwirunshier

Die Sage vom Weißen Roß, Rolf Rossmann, 1997, Woosmer

Die Schlangenkönigin, Bernhardine Schencke, 1895; Eldena

Eldena gehörte einst zum Kirchspiel Malk, Rolf Roßmann, 2007, Malk

Freud oewer dat nige Hus, Rolf Roßmann, 1998, Bockup

Frühling, Hans Heinrich Klatt, 1941

Gütertransport auf der Elde, Hans-Ulrich Thee, 1979, Eldena

Gutes Geld für gute Noten, Rolf Roßmann, 1998, Alt Kaliß

Hauptfach Religion, Albert Jürgens, 1965; Eldena

Hexenwahn im 17. Jahrhundert - auch in Göhren, Rolf Rossmann, 2007, Alt Jabel / Göhren

Hochzeitsbräuche, Prof. Dr. R. Pagenstecher, 1919, Groß Laasch / Griese Gegend

Im November 1893 gründete sich die Molkerei-Genossenschaft Eldena, Rolf Roßmann, 1996, Eldena

Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer, Johannes Gillhoff, 1917; Griese Gegend/USA

Luftpostpioniere 1919 bei Dömitz notgelandet, Rolf Roßmann, 1997, Dömitz

Luftschiffe über Südwestmecklenburg, Rolf Roßmann, 1996, Ludwigslust

Natascha starb kurz vor Kriegsende, Rolf Roßmann, 1995, Neu Kaliß

Räthselraden, „Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher und Mecklenburg-Strelitzscher Kalender auf das Jahr Christi 1897

Räuber Wockerpenning, Bernhardine Schencke, 1895; Dömitz

Vom Marinearsenal in Malliß, Rolf Roßmann, 1998, Malliß

Von Malliß nach Lübtheen fuhr man mit der Eisenbahn, Rolf Roßmann, 1996, Heiddorf

Wandertage zum Alt-Kalißer Reuterstein haben Tradition, Rolf Roßmann, 1997, Alt Kaliß

Wat? Du wist Schaulliehrer sein…?, Alice Klatt, 1979, Eldena

Wenn bei Capri die rote Sonne, Hans Heinrich Klatt, 1998

Wunderbare Erlebnisse eines Knechts aus Alt-Krenzlin bei Ludwigslust in einer Fastnachtsnacht, J.J.F. Giese, 1859, Alt Krenzlin/Picher

Zum Namen Grise Gegend, Hans Heinrich Klatt, 1957, Griese Gegend

Dei witte Spök, Hans Heinrich Klatt, 1957, Malk/Göhren

 

 

Hauptfach Religion, Albert Jürgens (mein Großonkel)

 

Wenn auch unseren alten Lehrer, von dem hier die Rede sein wird, sicher schon längst der grüne Rasen deckt (ich glaube allerdings eher, daß es „gäler Sand“ sein wird, denn Eldena liegt in der Griesen Gegend), so sei dennoch sein Name verschwiegen, denn er erscheint in der nachfolgenden Geschichte nicht gerade als ein Musterbild eines Pädagogen, obgleich er aus einer der bekanntesten Lehrerdynastien unserer Gegend stammt. Dagegen war an ihm ein Pfarrer verloren gegangen. Damals, Mecklenburg war noch ein Ständestaat, war Religion das Hauptfach der Dorfschulen, und die Schulprüfungen fanden ausschließlich durch den „Preister“ und natürlich nur in Religion statt. Es war also schon verständlich, daß „Gatt“ so lautete sein Spitzname bei uns Rangen – meist auch noch die wenigen anderen Unterrichtsstunden ausfallen ließ und statt dessen sein Lieblingsfach aufs Tapet brachte. Eigentlich sollte ich persönlich dafür dankbar gewesen sein, denn der Unterricht bestand zur Hauptsache aus einem gedankenlosen Herplappern eines für Kinder kaum verständlichen Textes von Gesangbuch- und Katechismusversen sowie Bibelsprüchen. Und da ich für Auswendiglernen einen „behöllern Kopp“ hatte, galt ich fälschlicherweise als intelligent und durfte „Bömelster“ sitzen.

Nun, an dem betreffenden Tag hatten wir, wie üblich, zunächst einen Choral gesungen. So etwa neun Verse! Beim dritten Vers fielen schon die meisten Sänger aus, sie sangen nur noch mimisch mit; beim siebten Vers gab auch mein Nachbar, Fritz Willführ, das Rennen auf. Das bedeutete nicht gerade einen unersetzlichen Verlust für die sakrale Kunst, denn Fritz sang grundsätzlich jeden Ton falsch, ob aus Prinzip oder aus erblicher Belastung, blieb unergründlich. Die beiden letzten Verse sangen Gatt und ich allein; wir lobsangen sozusagen i. V., was Gatt meistens gar nicht auffiel, denn die Natur hatte ihn mit einer Stimme begabt, die der von Erdmanns grauweißer Kuh kaum nachstand, und die hielt sämtliche Bölkrekorde in Eldena.

Nach Beendigung des etwas strapaziösen Lobgesanges kam dann das „Bäden“, das jeweils von einem Schüler der Klasse auszuführen war. Gatt gab das Stichwort: „Wie fröhlich bin ich aufgewacht ...“ – Atemlose Stille in der Klasse: Wen trifft der Blitz? ... „Paula Busacker!“ „Wie fröhlich bin ich aufgeeeewacht“ schmetterte Paula, selber zutiefst erstaunt darüber, daß sie eine ganz „Reeg“ ohne Stocken hergesagt hatte. Auf diesen Lorbeeren durfte sie schon eine Weile wohlgefällig ruhen. Und Paula ruhte! „Wie habe ich...“ half Gatt ihr wieder auf die Füße. „Wie hab ich mich ergeben“ folgerte Paula, bei der sich augenscheinlich religiöse und patriotische Gefühle ein wenig vertüdert hatten. „...geschlafen sanft die Nacht!!!“ Gatts Stimme hatte schon einen bedrohlichen Unterton. „Samt die Nacht!“ echote Paula, wozu das schwierige Satzgebilde noch erst wiederholen? Wieder trat absolute Stille ein, gegen die das Ganghofersche „Schweigen im Walde“ ein übler Klamauk gewesen wäre.  – „Hab Dank...“ schubste Gatt seine Delinquentin weiter. Paulas wenige Gehirnwindungen schlängelten sich wie eine Herde tanzwütiger Kobras, umsonst: „Hab’ Dank, du Kind der Treue“ geriet sie wieder auf ein falsches Gleis. – „Hab Dank im Himmel!!!“ schrie Gatt; das war schon längst kein Gebet mehr, das war wüstes Gebrüll und ganz sicher nicht mehr Gott wohlgefällig. „Hab Dank im Himmel und auf Erden!“ beendete Paula kurzerhand die fruchtlose Debatte.

Ich bin fest davon überzeugt, daß dieses etwas hürdenreiche „Gebet einer Jungfrau“, wäre es unzensiert an seinen Bestimmungsort gelangt, dort sicher erhebliches Schmunzeln hervorgerufen hätte. Gatt war leider völlig humorlos! Schon beim „Kind der Treue“ hatte es hier und da in der Klasse verdächtig gepruscht, und bei dem etwas gewalttätigen Ende des Gebetes preßte das „bömelste“ Mädchen, das mir gegenüber saß (ich glaube, es war Mike Schütt) ihre immer noch fromm gefalteten Hände gegen den Mund. Eine vollreife Tomate wäre ein bläßliches Etwas gegen die Farbe ihres Kopfes gewesen! Es war uns zwar allen klar, daß Lachen während des „Bädens“ unsere nach Gatts Ansicht ohnehin nur dürftigen Aussichten, jemals in den Himmel zu kommen, schier aussichtslos werden ließ, aber helf er sich, wenn es im elfjährigen Bauche kiekst und quält! Da lacht man nicht, da wird man gelacht. Mike Schütt hatte gut lachen, die verschwand fast vollständig hinter ihrer walkürenhaften „Vorsteherin“. Ich konnte nirgendwohin verschwinden. Statt dessen tauchte Gatt vor mir auf, und es setzte einen gewaltigen Backs gegen mein puterrotes, wenn auch noch immer fromm geneigtes Haupt. Sensation in der Klasse: Der Bömelste hatte einen Backs bekommen!

Aber der Kelch meines Leidens war noch nicht geleert! Anschließend wurde das sechste Gebot durchgenommen. Da hörte ich gar nicht hin, denn mit so etwas wurde ich ohnehin nicht behelligt, weil ich damit nicht zu fangen war. (Zwar weiß ich heute, daß ich damals vom Sinn des sechsten Gebotes glücklicherweise auch nicht die leiseste Ahnung hatte.) In meinen Schmerz versunken hörte ich nicht einmal, was Gatt mich urplötzlich und unverhofft fragte, und da meine Nachbarn, starr vor Entsetzen, daß ich „nichts wusste“, nicht einmal daran dachten, mir vorzuflüstern – vielleicht war die Bande auch nur schadenfroh! – setzte es einen zweiten, noch gewaltigeren Backs! Sensation dann auch im Dorfe! Der ewig Bömelste hatte das „Was ist das“ des sechsten Gebotes nicht gewußt, das doch die alte Harders Mudder noch lücken- und fehlerlos herbäden konnte. So weit konnte es mit seiner „Klaukheit“ also doch nicht hersein. Mein Nimbus verblaßte wie eine untergehende Novembersonne! Für mich aber war das Schlimmste, daß Paula Busacker in der Pause partout mit mir spielen wollte. Ob aus einem Schuldgefühl heraus oder aus einem Gefühl der Geistesverwandtschaft, blieb ungeklärt, es genügte aber, um meinem geistigen Hochmut den ersten, aber entscheidenden Stoß zu versetzen. Und das war, glaube ich, und ist das einzige Erfreuliche an dieser doch so sehr betrüblichen Angelegenheit geblieben!

 

Räuber Wockerpenning, Bernhardine Schencke

 

Auch eine wohlorganisierte Räuberbande gab es vor mehr als 80 Jahren in Mecklenburg, die die Gegend um Dömitz durch ihre Frechheit und Gewaltthätigkeit in Furcht und Schrecken setzte.

Der Räuberhauptmann Wockerpenning, welcher mit 8 Genossen in Dömitz selbst wohnte, verübte von hier aus, sowohl im Lande als auch im Preußischen und Hanoverschen, bei der Elb und Elbeschiffern so viele freche Einbrüche, daß es sich dabei oft um Leben und Tod handelte und die Leute sich gezwungen sahen, überall bewaffnete Wächter anzustellen.

Einst drangen sie bei Abendzeit in die Wohnung eines Bäckers ein, raubten in mehrerer Gäste Gegenwart, nachdem sie den Wirth niedergestoßen, die Casse mit ihrem Gelde und ihren Präziosen und gingen lärmend fort, von Niemand gehalten; die Polizei-Offiziere waren auf offener Straße ihren Räubereien ausgesetzt, gingen ihnen daher aus dem Wege, so gut es sich thun ließ. Einbrüche, Raub, Brandstiftung waren seit Dezennien an der Tagesordnung, und Alle athmeten erleichtert auf, als endlich auf Betrieb des Amtes Grabow die Bande gefänglich eingezogen wurde, wobei es sich durch das Geständniß eines 14jährigen Knabens herausstellte, daß auch sie in Neu Göhren den gewaltthätigen Einbruch und Raub verübt, bei welchem fünf Menschen lebensgefährlich verwundet wurden.

Als der Hauptmann und einer seiner Genossen,  unter denen sich ein berüchtigter Elbpirat befand, von Dömitz nach Grabow transportiert wurde, sagte er frech zu den Leuten, die auf dem Markte seiner Abführung beiwohnten: „es befänden sich unter ihnen noch größere Verbrecher wie er!“ Mit der Gefangenschaft dieser Räuber hörten jedoch nicht alle Diebstähle an Werthsachen und Vieh auf, noch mancher Brand fand statt, aber mit dem Anführer hörte die freche Dreistigkeit auf und es kehrte allmählich Ruhe und Friede wieder in Dömitz ein, und Jeder hoffte, daß die gewiß harte Strafe der Gefangenen die Uebrigen auf bessere Wege zurückführen würde.

Im höchsten Grade bestürzt, vernahm man nun die Kunde, daß Wockerpenning und seine Schar aus dem Gefängnis entsprungen sei, ungeachtet aller möglichen Vorsichtsmaßregeln. Glücklicher Weise gelang es, nach zwei Tagen die ganz Entkräfteten dadurch wieder zu entdecken, daß ihre Frauen ihnen Lebensmittel und Zeug heimlich zustecken wollten. Ihrer Bestrafung sind sie nicht entgangen, hoffen wir, daß sie ihr vergeudetes Leben bereut!

 

Die Schlangenkönigin, Bernhardine Schencke

 

Der Kronsberg ist ein kleiner Berg bei Eldena; in diesem ist eine goldene Wiege tief verborgen und wird von der Schlangenkönigin, deren Haupt eine köstliche goldene Krone ziert, treu bewacht.

Gelingt es nun Jemand, sich ihr soweit zu nähern, daß er ihr die Krone vom Kopfe entnehmen kann, so ist er zeitlebens ein reicher Mann, denn er kann dieselbe verkaufen und hat er gar ein Stückchen von ihr abgebrochen und in der Hand behalten, so hat die Krone die Eigenschaft, daß sie täglich wieder in ihrer ganzen Herrlichkeit aufs Neue wächst und er täglich wieder verkaufen kann: die Krone der Schlangenkönigin!

 

Die alte Mühle, Bernhardine Schencke

 

Vor der Stadt Hagenow liegt ein kleiner Berg, der Sandberg genannt, auf welchem einst eine Windmühle stand, deren Flügel sich lustig im Winde drehten, wo junge Burschen sich lümmelten.

Jahre rauschten vorüber, die alte Mühle verfiel, neue wurden aufgebaut. Doch sie blieb stehen als Wahrzeichen der Vergänglichkeit, als Spielplatz der Kinder. Wer aber beschreibt das Wunder? Eines Tages war die Allen so wohlbekannte Mühle vom Berge wie fortgeweht, keines Menschen Hand hatte sich ausgestreckt zu ihrem Abbruch, keine Spur ließ die Stelle noch erkennen, wo sie gestanden, denn blühende Gräser wuchsen dort, wo ihr Fluß doch eingegraben und kein Splitter eines Sparrens oder eines Brettes war meilenweit zu finden, obwohl man danach suchte.

Wohl haben die Leute jener Zeit verwundert den Kopf geschüttelt zu dieser seltsamen Begebenheit, doch aufgeklärt hat sie sich nie, selbst jetzt nicht, wo doch alles Dunkle hell gemacht werden soll.

 

Die Baugeister, Bernhardine Schencke

 

Daß es sehr verschiedenartige Geister giebt, die sich dem Menschen bald günstig, bald ungünstig erweisen, habe ich mehrfach erzählt, habe aber jetzt erst erfahren, daß auch Baugeister existieren, die sich dem Bauherrn in oder bei einem neu auszuführenden Gebäude durch Poltern und Lärmen recht unheimlich um Mitternacht bemerkbar machen.

So bald nämlich das Gebäude so weit hergestellt ist, daß die Balken und Sparren aufgesetzt werden sollen, dann ist es in der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr in demselben ein Krachen und Toben, als würden alle Balken und Sparren mit der größten Heftigkeit so durcheinander geworfen, daß nichts von dem Holze heil und ganz bliebe - dies nun ist der Baugeist! Die Handwerker sehen dies Poltern als eine gute Vorbedeutung an für einen glücklichen Verlauf des Baues, daß Niemand dabei zu Schaden kommt und daß der jetzige, so wie der spätere Besitzer viel Glück und Segen darin erleben werden.

Ein Herr hier in der Nähe ließ ein neues Wohnhaus bauen und als der Bau so weit gediehen, daß die Balken aufgebracht waren und die Sparren hinauf geschafft werden sollten, da - siehe, da fand sich der Baugeist ein und Alle erzählten am Morgen mit Frohlocken, der Baugeist habe über Nacht vorzugsweise stark rumort. Der Herr war dabei sehr ungläubig und fragte, was das denn eigentlich für ein Ding sei? Man antwortete ihm: „Ja, das ist auch kein ordentlicher Geist, der herum geht und Alles durcheinander wirft - das sind die Gedanken der Bauleute, die am Gebäude arbeiten; wenn sie des Nachts schlafen, so beschäftigen sich ihre Seelen in Gedanken mit der Arbeit, die am folgenden Tage vorgenommen werden soll und so entsteht der Geist!“

In der folgenden Nacht wiederholte sich der Spuk, den sie Alle gehört und konnten sie nicht genug den großartigen Lärm beschreiben und doch sagte ein alter Maurerpolier, ein Däne von Geburt, das sei noch nichts gegen den Spectakel beim Bau der schönen neuen Kirche zu Ludwigslust gewesen, bei dem er mitgearbeitet. Und von diesem unerhörten Lärm könne man gewiß annehmen, daß das schöne Gotteshaus lange lange Jahre stehen und vielen großen Segen verbreiten werde.

Der Herr wollte sich mit diesen Erklärungen nicht zufrieden geben und stellte, da er Diebe hinter diesem Spuk vermuthete, in der dritten Nacht einen Wächter an, der aber kein Geräusch hörte. Es blieb Alles still, was die Bauleute dahin erklärten, daß eben der Bau in diesen Tagen so weit vorgeschritten, daß keine Gefahr für irgend Jemand mehr vorhanden und daß der Geist damit von hinnen ziehe.

Da auch des Herrn Nachfrage, ob die Handwerker des Nachts sämmtlich in ihren Quartieren gewesen, bejahend ausfiel, so mußte er nolens volens [ob er will oder nicht] an die Existenz der Baugeister glauben!

 

Frühling, Hans Heinrich Klatt (mein Onkel)

 

Der Junker Frühling geht durchs Land;

Grüne Farben hat er in der Hand,

um die Bäume grün zu machen,

um die Blümlein aufzuwachen.

 

Auch bei uns Menschen ist er bekannt,

wenn wir wandern Hand in Hand.

Hört die Bäume wie sie rauschen,

seht die Blumen wie sie lauschen.

 

Christenglauben, Hans Heinrich Klatt (mein Onkel)

 

Warum hab’ ich nur solche Angst,

obwohl Gott stehet mir bei?

Wie du nur um dein Leben bangst,

doch der Tod lässt auch dich nicht frei!

 

Ein jeder muß einmal sterben,

in’s Himmelreich kehren ein,

Das Himmelreich zu erben,

will ich gestorben sein.

 

Dann könn’t ich endlich ruhen,

von der Reise durch die Welt.

Ich hätt’ nichts mehr zu tun

In der verrückten Menschenwelt.

 

Wenn bei Capri die rote Sonne, Hans Heinrich Klatt (mein Onkel)

 

Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt

und die ganze Adria nach Tankstelle stinkt

dann mache ich doch ’n Schnitt wie ein Chirurg

und wandre aus – nach Mecklenburg!

 

Räthselraden, „Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher und Mecklenburg-Strelitzscher Kalender auf das Jahr Christi 1897“ (‚Voss un Haas Kalender 1897’)

 

 

 

  1. Wat vör Schauh gahn nie an de Fäut entwei?

  2. Woveel Arwten gahn in einen Pott?

  3. Wohin ging Jakob, als er 13 Jahre alt war?

  4. Wann ist der Schüler über seinem Lehrer?

  5. Min Vadder sin Kind, min Mudder ehr Kind, un doch nich ehr Sähn. Wat is dat?

  6. Je mehr es hat, je weniger es wiegt?

  7. Wat brennt beter as twei Lichter?

  8. In wecken Monat eten de Teterower am wenigsten?

  9. Wo kommen alle Säcke zusammen? In der Mühle?

10.  Es kommt vom Leben, hat kein Leben, und muß doch Leben tragen?

11. Wat deihst du jeden Morgen, ihre dat du upsteihst?

12. De irst is en Namen, de tweit kümmt von’n Swin, dat ganze makt Spaß,  wat mag dat sin?

13. Was ist bei einer Mahlzeit am unentbehrlichsten?

14. Wotau hewwen de Möllers witte Mützen?

15. Wo gehen die Gänse im Wasser?

 

Antworten an mich per E-Mail. Auflösung folgt prompt!

 

Das "Weiße Moor" urbar gemacht

Selbsthilfeaktion einer mecklenburgischen Dorfgemeinde Loosen (‚Ludwigsluster Tageblatt’, 03.01. 1933)

 

Im südwestlichen Mecklenburg, inmitten der sogenannten Griesen Gegend, liegt die Dorfgemeinde Loosen, malerisch von dunklen Kiefernwäldern umgeben. Kein Straßenlärm dringt herüber über Heide, Moor und Wald, denn die nächste Kunststraße endigt beim mehrere Kilometer entfernt liegenden Dorfe Leussow. Bis zur nächsten Bahnstation sind es drei Wegstunden. Mühevoll ist die Arbeit der Dorfbewohner, besonders der kleinen Häusler und Einlieger, um die nötigen Futtermittel für ihre kleine Wirtschaft zu beschaffen. Aus der Sudeniederung der Redefiner Gegend muß der größte Teil der Landwirte in zwei- bis dreistündiger Fahrt das Winterheu auf Kuhgespannen, auch ein Charakteristikum dieser Gegend, heranholen.

Um diesem Übelstand abzuhelfen, schlossen sich vor etwa zehn Jahren 51 Loosener Häusler zu einer Arbeitsgemeinschaft  zusammen, um das in der Leussower Forst, etwa eine halbe Wegstunde vom Dorfe entfernt liegende "Weiße Moor" urbar

machen: Noch vor 100 Jahren wurde in diesem 25 Hektar großen Moorgebiet jährlich Torf für den großherzoglichen Haushalt gestochen und mit Führwerken nach Schwerin und Ludwigslust befördert. Jetzt ringen um die Heimatscholle die männlichen Vertreter der Loosener Häusler- und Einwohnerfamilien mit den Tücken des von Hagebutten und Schlingsträuchern überwachsenen Sumpfes, um daraus wertvolles Kulturland zu schaffen.

Nur von Oktober bis April können die Männer wöchentlich zwei Tage erübrigen, um an der Vollendung ihrer selbstgestellten Aufgabe zu arbeiten. Kilometerlange Gräben, seitlich mit Holzverschalung versehen, laufen durch fünf bis sechs Meter hohe

Sanddünen und führen das Grundwasser des Weißen Moores zur nahen Rögnitz. Das dazu benötigte Holz wurde von der Forstverwaltung zur Verfügung gestellt. 1922 begannen die Erdarbeiten. Viele Kubikmeter des am Waldesrand geförderten

Sandes wird in die fast grundlosen Moorlöcher gefahren. Mark für Mark wurde von den Beteiligten dieses Meliorationswerkes zusammengespart, um die nötigen Feldbahnschienen, Loren und sonstigen Materialien zu beschaffen. Das zum Abfahren notwendige Gespann stellt ein Loosener Büdner gegen ein geringes Entgelt zur Verfügung. Schon nach zweijähriger Tätigkeit winkte der erste Lohn der mühevollen Arbeit: eine kleine Fläche neu gewonnenen, fruchtbaren Wiesenlandes konnte den Mitgliedern dieser Arbeitsgemeinschaft zugewiesen werden. Jeder erhielt etwa 40 Quadratruten

zu seiner freien Benutzung. Im Sommer 1923 fuhren die glücklichen Besitzer ihr erstes Heu als Winterfutter in die Scheunen. Im weiteren Verlaufe der Jahre ist nunmehr schon ein Drittel des Moores in ertragfähiges Ackerland verwandelt.

Noch weitere mühevolle Arbeit, und die Romantik des Weißen Moores bei Loosen gehört der Vergangenheit an. An seine Stelle ist fruchtbarer Nährboden getreten. 600 000 Kubikmeter Erde mußte durch Menschenhand bewegt werden. 13 563

Arbeitstage sind bisher geleistet worden. Umgerechnet zum Tagelohn von nur drei Reichsmark hätte somit, die Urbarmachung allein an Arbeitslohn ein Kapital von 40 689 Reichsmark verschlungen.

 

Eldena gehörte einst zum Kirchspiel Malk,  Rolf Roßmann

 

Das Dorf Malk, das im nächsten Jahr auf eine bereits 850-jährige Geschichte zurückblicken kann (Göhren: 700 Jahre), ist nicht nur das älteste Dorf in weitem Umkreis, sondern war auch erster Pfarrort zwischen Sude und Elde.

Nachdem etwa Mitte des 12.Jahrhunderts der Sachsenherzog im Zuge der Ostexpansion fast das gesamte westliche Mecklenburg unter seine Herrschaft gebracht und das Bistum Ratzeburg gegründet hatte, wurde das besetzte Land mit Kolonisten aus Holstein, Niedersachsen, Westfalen, Holland und Friesland aufgesiedelt und mit christlichen Kirchspielen besetzt. In den unwirtlichen Ländern Jabel (zwischen Sude und Rögnitz) und Wehningen (zwischen Rögnitz und Elde) mochte die Kolonisierung durch deutsche Siedler zunächst nicht recht vorankommen.

Entgegen der üblichen Praxis, erst nach der Ansiedlung deutscher Kolonisten mit dem Kirchenbau zu beginnen, schuf der Bischof von Ratzeburg um 1190 in dieser wendischen Enklave (Länder Jabel und Wehningen) in dem Dorf Malk ein erstes Kirchspiel und ließ dort eine „Wendenkirche“ errichten. Fünf Jahre später entstand auch ein Kirchspiel in Dömitz. Welchen Erfolg die ersten christlichen Priester bei der Missionierung der Wenden hatten, liegt im Dunkeln der Geschichte.

Erst nachdem der Ratzeburger Bischoff Isfried dem Dannenberger Grafen Heinrich I. den „Zehnten“ Ertrag des fruchtbaren Ackers als Gegenleistung für eine deutsche Aufsiedlung der Länder Jabel und Wehnungen in Aussicht stellte, kam die Kolonisierung ein wenig in Gang und somit der Sicherung und dem Ausbau der weltlichen und kirchlichen Macht durch die deutschen Landesherren eine größere Bedeutung zu.

Bereits 1230 konnte der ein Jahr zuvor begonnene Neubau des Zisterzienser-Nonnenklosters in Eldena geweiht werden. Noch existierte die kleine Wendenkirche in Malk. Aber nur kurze Zeit nach der Klostergründung in Eldenaer wurde das Malker Kirchspiel schon wieder aufgelöst und ging auf in die neugeschaffenen Kirchspiele Eldena und Conow.

Malk fällt zwar die „Ehre“ zu, erstes Kirchspiel in den Ländern Jabel und Wehningen gewesen zu sein, doch mit nur etwa vierzig Jahren war ihm eine nur geringe Lebensdauer beschieden.

Leider ist der Standort des damaligen „Gotteshauses“ heute nicht bekannt. Das möglicherweise nur in Holzbauweise errichtete und vielleicht auch nur als Kapelle ausgeführte Gebäude hat weder sichtbare Spuren hinterlassen noch lässt sich dessen Standort aus alten Flurstücksnamen herleiten.

Vielleicht lüften einmal Zufallsfunde den Standort der kleinen Malker Wendenkirche.

 

Der Bau der Eisenbahn Ludwigslust - Dömitz brauchte einen langen Anlauf, Rolf Roßmann

 

Der erste Spatenstich zum Eisenbahnbau auf mecklenburgischem Territorium wurde im Mai 1844 bei der Anlage des Bahnhofes Ludwigslust getan.

Am 15. Oktober 1846 konnte in Mecklenburg die erste Eisenbahnstrecke in Betrieb genommen werden. Sie verband zunächst Boizenburg mit Berlin. Es vergingen dann noch mehr als 30 Jahre, ehe 1890 auf einer der letzten, wirtschaftlich nicht unbedeutsamen Strecken, der Eisenbahnbetrieb aufgenommen werden konnte.

Bereits im Jahre 1865 berichtete das Ludwigsluster Wochenblatt im Zusammenhang mit Verlautbarungen anderer Zeitungen über Spekulationen, die den Bau einer Eisenbahnstrecke von Uelzen über Dömitz - Ludwigslust nach Parchim betrafen.

Um den Eisenbahnbau insbesondere auf der Strecke Ludwigslust - Dömitz voranzubringen, führten anliegende Städte, Dörfer und Unternehmen in den folgenden Jahren tatsächlich intensive Verhandlungen.

Nachdem die Regierung 1871 endlich die Konzession zum Bau dieser Eisenbahnlinie erteilt hatte, scheiterte dessen Realisierung jedoch an den inakzeptablen Forderungen des in Berlin ansässigen Baukonsortiums. Die Hoffnungen auf eine Eisenbahnverbindung zwischen Ludwigslust und Dömitz schienen sich sobald nicht zu erfüllen.

Insbesondere für die Industriebetriebe in Neu Kaliß und Malliß wirkte sich diese Entscheidung recht ungünstig aus. Gerade sie hatten in den Eisenbahnanschluß an die Berlin - Hamburger Eisenbahn und zum Dömitzer Elbhafen große Hoffnungen gesetzt.

Die Besitzer der Papierfabrik in Neu Kaliß und des Braunkohlenbergwerks in Malliß sahen sich genötigt, über Transportalternativen nachzudenken.

Anfang September 1874 wußte die Rostocker Zeitung zu berichten, daß beide Unternehmen sich entschlossen hätten, „eine Pferdeeisenbahn von Dömitz nach Malliß - ca. 1½ Meilen Länge - zu erbauen und sich somit selbst einen geeigneten Verkehrsweg für den Absatz ihrer Producte zu schaffen.“ In gleicher Meldung wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß diese Bahn der Anfang der schon seit Langem projektierten Eisenbahn von Dömitz über Ludwigslust nach Parchim und darüber hinaus sein könnte.

Da auch dieses Projekt nicht realisiert wurde, mußte man Rohstoffe und Industriegüter zunächst weiterhin per Fuhrwerk und Eldeschiff zu ihren Bestimmungsorten oder zum nächsten Güterumschlagplatz transportieren.

Am 25.05.1887 ermächtigte die Generalversammlung der Aktionäre der mecklenburgischen Friedrich-Franz-Bahn die Gesellschaftsvorstände, die Konzessionsbedingungen betreffend, das Neubauprojekt Schwerin - Ludwigslust - Dömitz mit der Großherzoglichen Regierung definitiv zu vereinbaren.

Knapp ein Jahr später, am 20. April 1888 wurden die von der Regierung an die Erteilung der Konzession zum Bau der Eisenbahnlinie Schwerin - Ludwigslust - Dömitz geknüpften Bedingungen durch die Generalversammlung der Aktionäre der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn genehmigt.

Die Direktion hielt den Bau der neuen Eisenbahnlinie für die Interessen der Gesellschaft bzw. des Unternehmens für äußerst wichtig. Dabei hatte sie im Auge, daß die Friedrich-Franz-Bahn durch die direkte Verbindung zwischen Elbe und den Ostseehäfen Mecklenburgs wichtiges Terrain an der Elbe gewinne. Man erkannte auch die Chance, durch den weiteren Bau einer nur noch kurzen Bahnstrecke eine direkte Verbindung mit Hannover herzustellen.

In diesem Zusammenhang war zunächst die Befürchtung laut geworden, daß, die Strecke Ludwigslust - Dömitz auch von „anderer Seite“ hätte gebaut werden können.

Mit der angedachten Bahnverbindung von Lüchow nach Dömitz versprach man sich auch für den Dömitzer Hafen einen weiteren Aufschwung. „Durch diese kurze Strecke würde die Verbindung mit Mecklenburg und Mitteldeutschland und dem großen Harz-Eisenbahnnetze in gerader und kürzester Route hergestellt sein.“ Der für Dömitz projektierte Hafen suchte aufgrund seiner Nähe zu Stadt und Bahnhof am gesamten Elbestrom seinesgleichen. Die direkte Anbindung der Bahn an die Hafenanlagen ermöglichte eine sichere und bequeme Ent- und Beladung von Schiffen und Eisenbahn.

Im Dömitzer Hafen wurde auch das Kohlendepot für Ludwigslust, Schwerin und die Südbahnstationen angelegt.

Ende Januar 1889 waren bei Dömitz die Vorarbeiten so weit beendet, daß „ ...der erste Spatenstich in der Baulinie gethan, Maschinen, Lowrys und Schienen zur Stelle geschafft und viele Arbeiter beschäftigt, das Baugeleise für die Bautransporte zu legen.“

Riesige Erdmassen mußten bewegt werden, um den Bahndamm aufzuschütten.

Für den Bahnkörper, d. h. für den aufzuschüttenden Damm, hatte man dort den Sand verwendet, der im Frühjahr 1888 durch das Hochwasser und darauffolgender Dammbrüche angeschwemmt und auf der Groß Schmölener Feldmark abgelagert worden war.

So verband man auf praktische Weise die Beseitigung der letzten Hochwasserschäden mit der Beschaffung billigen Baumaterials.

In Malliß begannen die Erdarbeiten zum Bahnbau Mitte März 1889. Zuvor waren dort eine Bahnschmiede und eine „Budicke“ zur Beköstigung der Bahnarbeiter eingerichtet worden. Etwa 40 bis 50 Arbeiter, zumeist aus Schlesien, waren in Malliß mit den Bauarbeiten beschäftigt. Es mußten der Fabrikkanal, der Bergwerkskanal und die Elde überbrückt werden. Vom Bahnhof zur Ziegelfabrik war die Verlegung eines Industriegleises geplant.

Die erste von Malliß nach Dömitz führende Teilstrecke, die zunächst „sekundär betrieben werden“ sollte, wurde amtlicherseits wie folgt beschrieben:

Sie „... beginnt an der Grenze der Feldmarken Malliß und Göhren, durchschneidet die Feldmark Malliß südlich der neuen Ziegelei in westlicher und weiterhin nach Überbrückung des Ziegelei- und Braunkohlen- Kanals in fast südlicher Richtung , in welcher sie sich gleichlaufend neben dem Sägemühlen-Kanal hinzieht. Unterhalb der Mallißer Sägemühle und in unmittelbarer Nähe derselben überschreitet sie die neue Elde und verfolgt, im Allgemeinen eine gleichlaufende Richtung mit der neuen Elde beibehaltend, innerhalb der Großherzoglichen Forst Kaliß eine südwestliche Richtung, welche sie auch auf der Feldmark Neukaliß zunächst noch beibehält, dann aber, und zwar gegenüber der Mühle Findenwirunshier, stärker nach Süden schwenkt und endlich von der Papierfabrik an eine ganz südliche Richtung annimmt, welche sie nur in unmittelbarer Nähe der Stadt Dömitz verläßt, um sich an die Wittenberge - Lüneburger Bahn anzulehnen und mit westlicher Richtung in den Bahnhof Dömitz einzulaufe ...“.

Im Mai des gleichen Jahres wurde begonnen, die Bahnlinie von Ludwigslust nach Malliß abzustecken.

Wo der Bahnhof in Eldena angelegt werden sollte, war bis dahin jedoch noch umstritten. In einer vom Schulzen Jastram am 28. Juni 1889 einberufenen Versammlung der Bewohner Eldenas kam es zu einer „sehr lebhaften Debatte“, ob der Bahnhof am Ostende des Ortes oder am Westende liegen solle. „Die zum Schluß erfolgte Abstimmung ergab, daß die Majorität den Bahnhof am Ostende, also an der Ludwigsluster Chaussee wünsche.“

Während die Arbeiten sowohl an den Bahnhofsgebäuden sowie an den Elde- und Kanalbrücken in Malliß als auch an der übrigen Teilstrecke Dömitz - Malliß zügig vorangingen, konnte man im August `89 gleiches von der Strecke zwischen Malliß und Ludwigslust nicht berichten.

Über den tatsächlichen Einfluß der Fabrikbesitzer in Neu Kaliß und Malliß, die größtes Interesse an einer schnellstmöglichen Fertigstellung der Verbindung zum Dömitzer Hafen hatten, läßt sich heute nur spekulieren.

Am 25.08.1890 jedenfalls erfolgte auf der Papierfabrik Neu Kaliß die erste Verladung von Papier auf die Eisenbahn. /3/

Die Teilstrecke Dömitz - Malliß konnte dann Anfang Oktober 1889 erstmals mit Frachtzügen befahren werden. Bereits zum 01. November 1889 mußten die für die Strecke Ludwigslust - Dömitz angestellten Bahn- und Weichenwärter ihre Stellung antreten.

Zu Weihnachten war auch die parallel hergestellte Sekundärbahn Lübtheen - Malliß fertiggestellt, so daß die in Lübtheen gewonnenen Kalisalze den Hafen in Dömitz nun über die Schiene erreichen konnten.

Nachdem Ende Dezember die Erdarbeiten beendet waren, konnte am 02. Januar 1890 auf der Strecke Ludwigslust - Malliß endlich mit dem Oberbau begonnen werden. Die Arbeiten am Oberbau wurden beidseitig, also von Malliß und Ludwigslust aus, angefangen.

Die letzten Schwellen und Schienen verlegte man am 05. Februar 1890 zwischen Göhren und Eldena, ehe mit dem Kiesfahren begonnen werden konnte.

Im Januar 1890 hatte man begonnen, das Ludwigsluster Empfangsgebäude umzubauen. Dem durch die Dömitz - Ludwigsluster Bahn zu erwartenden höheren Passagieraufkommen hoffte man durch beidseitige Anbauten an das vorhandene Empfangsgebäude begegnen zu können.

Am 21. April wurde endlich die Brücke über die Berlin - Hamburger Bahn seitens der Bahnbehörde besichtigt und abgenommen. Der Abnahme vorangegangen war eine mit drei Lokomotiven durchgeführte Tragfähigkeitsprüfung.

Anfang Mai 1890 waren die Bauarbeiten an der Eisenbahnstrecke Dömitz - Ludwigslust im wesentlichen abgeschlossen. Am 12. Mai erfolgte die polizeiliche Abnahme der Strecke, und am 20. Mai 1890 „morgens 9.30 Uhr lief der erste fahrplanmäßige Zug auf der Ludwigslust - Dömitzer Bahn von Dömitz in den Ludwigsluster Bahnhof ein und hielt am Perron, welcher bis dahin der Parchim - Ludwigsluster Bahn gehörte, und ist damit die Bahn dem Verkehr übergeben. Die Locomotive `Hercules` war mit Laubwerk und Fähnchen geschmückt und der ganze Zug war mit Laubwerk bekränzt. Das Empfangsgebäude war beflaggt.“

Die Lokomotive mit den Waggons war bereits am Abend vorher von Ludwigslust nach Dömitz gefahren worden. Die Jungfernfahrt mit dem entsprechenden Brimborium sollte nun mal in Ludwigslust enden. Hoch lebe das Protokoll !!

Die zur Streckeneröffnung eingesetzte Lokomotive Hercules zählte 1890 schon nicht mehr zu den modernsten Lokomotiven der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahngesellschaft (MFFE). Sie war bereits im Jahre 1850 bei Borsig gebaut und bei der MFFE mit der Betriebsnummer 284 in Dienst gestellt worden. Leider konnte von der Lokomotive weder eine Fotografie noch eine Konstruktionszeichnung ausfindig gemacht werden. Um eine ungefähre Vorstellung vom Aussehen der Hercules zu erhalten, läßt sich aber die Konstruktionszeichnung einer Hercules der gleichen Bauart, aus dem Jahre 1848, heranziehen. (Abb.) /4/

Imposant an diesem Modell erscheint der vor dem Führerstand aufragende Dampfdom sowie die Tatsache, daß der Führerstand, wenn später nicht nachgerüstet, der Konstruktionszeichnung entsprechend, ohne Verkleidung war. Seitlich an den großen Kesseln der Loks prangten zu jener Zeit beidseitig große Metallschilder mit dem Namen der Lok: HERCULES.

Bis zur regulären fahrplanmäßigen Inbetriebnahme der Dömitz - Ludwigsluster Eisenbahnstrecke vergingen nochmals knapp drei Wochen. Ab 01. Juni 1890 verkehrten täglich drei Züge zwischen Ludwigslust und Dömitz. Die Abfahrts- bzw. Ankunftszeiten waren so abgestimmt, daß die Anschlüsse nach bzw. von Schwerin gesichert waren.

 

Hexenwahn im 17. Jahrhundert - auch in Göhren, Rolf Roßmann

 

Obwohl bereits viel zu diesem Thema geschrieben wurde, ist heute noch der Glaube weit verbreitet, die Hexenverfolgung gehöre ins tiefste Mittelalter. Doch beim Nachlesen gewahrt man sehr rasch, dass gerade in Mecklenburg die allermeisten Prozesse und Verbrennungen in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648), bis hinein ins 18. Jahrhundert fallen. Insbesondere die evangelischen Theologen galten während dieser Zeit als die eifrigsten „Teufelsaustreiber“.

Aus der Zeit zwischen 1570 und 1700 sind für Mecklenburg insgesamt etwa 4.000 Hexenprozesse bekannt. Annähernd die Hälfte der Angeklagten wurde bestialisch gefoltert und - starben sie zuvor nicht bereits an den Folgen erlittener Qualen - wurden nach auf diese Weise erpressten Geständnissen tatsächlich verbrannt.

Aus unserer Region sind Hexenprozesse aus Dömitz (24), Kaltenhof (1) (damals zu Mecklenburg), Kaliß (2), Göhren (1), Conow 2) und Göhlen (1) bekannt.

Im Ergebnis der infolge erhobener Anklagen durchgeführten „peinlichen Befragungen“ durch die Büttel des Scharfrichters starben in Dömitz allein zwei Menschen unter der Folter, zwölf weitere verloren ihr Leben auf so unselige Weise auf dem Scheiterhaufen.

In Jabel geschah es sogar, dass der damalige Pastor Hengst die Witwe seines Vorgängers, des Pastors Joachim Bier, Ilsabe, geb. Brockmann, der Zauberei beschuldigte [siehe Ergänzung unten]. Aus Angst vor den Folterknechten des Henkers gestand diese bereits nur nach mündlicher Erklärung der sie erwartenden Foltermethoden. Die vermeintliche „Hexe“ Ilsabe Bier wurde schließlich am 17. Oktober 1671 öffentlich verbrannt. (Hatte der Pastor Hengst nun wohl seine Ruhe?)

Im Jahre 1687 fand ein Prozess wegen Hexerei gegen die in Göhren wohnhafte Trinen Möllers statt. Überliefert ist, dass gegen sie keine Tortur (Folter) angewandt wurde. Ein Urteil gegen die als Hexe bezichtigte Frau ist allerdings nicht überliefert. Das könnte einerseits bedeuten, dass sie aus Angst vor den Folterqualen ebenfalls ein „umfangreiches Geständnis“ abgelegt hatte (Aus Angst vor der Tortur dachten sich viele Angeklagte die obskursten und phantasievollsten Geschichten aus). Hätte sie tatsächlich einen „Bund mit dem Teufel“ eingeräumt, wäre sie von des Henkers Knechten auf der Schinderkarre durch den Ort geführt, auf dem Richtplatz an einen Pfahl gebunden und dort letztendlich ebenfalls „geschmökert“ worden. Es erscheint in diesem Fall aber wesentlich wahrscheinlicher, dass die Trinen Möllers im Dorf Göhren doch so zahlreiche Fürsprecher hatte, dass die Anklage wegen Hexerei tatsächlich nicht weiter verfolgt, sondern fallen gelassen und die Betreffende freigesprochen werden musste.

 

[Ergänzung:

Geständnis: Sie wurde von Anna Krumm, Adam Blocks Weib angelernt. Ihr Vertrauter Geist heisst Hans und habe schwarze Kleider an. Sie habe dem Schmied zu Jabel das Schwein sterben lassen - da er eine Kuh nicht auslieferte. Schulzensohn Ties Mahnke ein Beinleiden verursacht, weil er zu nahe bei ihr weggelaufen… Ihr Teufel habe ihr Korn und Geld gebracht... Nennt weitere Hexen mit dem sie auf dem Blocksberge war: Unter anderem Pastori Frau von Pastor Herrn Jacob Ansehlen, in der Stadt Malchow…
Ihr Mann: Pastor Joachim Bier (*1599, Salzwedel; +28.06. 1665 Jabel (b. Waren)), vorher Pastor in Lansen wurde bei Amtsantritt 1640 in Jabel von den Kaiserlichen (kath.) aufgegriffen, mit einem Strick um Hals an eine Scheunentür genagelt und die Scheune angezündet. Nur die Rückkehr eines reuigen Soldaten rettete ihm das Leben. Zeit seines Lebens hatte er ein rotes Mal am Hals...]

 

 

Freud oewer dat nige Hus, Rolf Roßmann

 

Dat is kort nah Johannis in dat Johr Achteinhunnertdreeuntwinnig. Franz Fell ut Bocop steiht vör sien nieget Hus. Hei harr grad noch de Swien utmest, un nu ward dat al düster. Nich wiet, in de Dann, röpt de Kukuk.

Franz steiht buten an de Hoffpuurt un bekickt sick sien nieget Hus. Noch wier de letzt` Handslag doran nich mokt. Steen un Holt leegen noch öwerall rüm. Dat süht noch nah Bugerie ut. Aewer hei, sien Fru un dei Kinner harr`n nu werrer ehr eegen Hus, worin ehr eegen Betten stünn`.

Sei harr`n sick ok all werrer een Diern un een Knecht tau Hülp nahmen. Up dat Feld stünn dit Johr dat Kurn recht gaud, un ok müt dat Veih künn` sei taufräden sien. Un so nöhm Franz sick hüt Abend dei Tied, so annerhalf Johr trüchtaukieken.

Dat wir in de Betnacht Achteinhunnerttweiuntwinnig, hei seet müt Fru, de fief Kinner, Diern un Knecht bi dat Abendaeten, un sei kellten sick alltohop müt ehr Läppels de Hawergrütt ut de grot Schöddel. Buten wier dat all stickendüster. Dat is müt de leewst Stunn an`n Dag, wenn de Hierd bullert un öllich Hitt afgaew un wenn de Grütt ok noch satt maken ded.

Dor ward dat up eenmol licht up den` Hoff, un dörch dat Finster flackert dat in dei Koek. Dat wier doch Fuer! Nich dat de rode Hahn up dat Dak seet? Alleman wieren fuurts upsprungen un na buten lopen. Dat Reeddak harr vun den` Schosteen her Fuer fungen. Dor geew dat keen Oewerleggen mihr. Noch harr nich dat gaanz Dak brennt, aewer dat gadlich Fuer würr immer graller. Fru un Kinner wiern in dat Hus loopen un sleppten ruut, wat se draegen künn´. Franz, de Knecht un de Diern wiern ierst up dei Deel loopen. Dei Diern müßt de Vorräd raeden, Franz un de Knecht dat Veih. As sei de Pierd un de Käuh buten harr`n, wiern ok all dei iersten Nahwers up den` Hoff un packten müt an. Dat Fuer würr ümmer gröter, un bald wier aftauseihn, dat dat Hus von den roden Hahn freten würd. De Nahwerslüd sünd rünnt, un all harr`n hulpen, as wenn dat üm ehr Eegen güng.

Franz harr Glück in´n Unglück hat, de Swinstall wier kolt bläb`n, een Deel vun den Husrat un all Veih harr man raed`n künnt. Aewer dat wier Winter, un sei harr`n nu up eens keen Dak mihr oewern Kopp. De Lüd aewer harrn sick all ümmer ünnereinanner hulpen. De Nahwer vun de Hoffstäd Nr. 8, Hans Jürgen Rosien, harr tau ehr seggt: „Bi mi in`t Hus stahn een Stuw un een Timme leddig. Ick will juch woll Hüsung gäben.“ Den Husrat harr`n sei dumols in dei Schüün ünnerstellt.

Nu wier dat all anderthalf Johr trüch. In` Mai vörrich Johr harr Franz ut Swerin de Ore krägen, dat em de Oberförster Bolle ut Kal`ß tau den Niebu vun sien Hus Isenholt för Hau- un Sächgeld tauwiesen sullt. Dann`bräde harr hei ut den Forst Ludwichschlust un Wabel krägen. Dei Steen harr hei ut dat Nahwerdörp haalt. So wier sien Hus allmählich wussen.

Bloß dat Geld würd em knapp. Dor wier em dull hulpen, dat dei Miet för Rosien von dat Amt Grabau betohlt würr.

Nah all dat Oewelägen geiht Franz nu wedder in`t Hus. Hei striekt noch eens an de Waschschöddel vörbi un seggt tau sien Fru: “De grot Eik up den Hoff, glöw ick, ward ingahn. Sei hätt woll doch tau väl Hitt afkrägen. Achter dei Schüün warr ick woll twee niege Bööm inplanten.“ Dunn plinst hei sien Kathrin so`n baeten bläumich tau. De weit dormüt wat antaufangen. Sei fot ehrn Franz an de Hänn, strikt sacht oewer ehr weg un antwuurt: „In de letzt` Tiet hest du dull marracht. Paß up di up, dat du die dien Knaken nich ganz kaputt mökst.“ Dunn verswinn` dei Beid in de Dör nah ehr Kammer.

 

Von Malliß nach Lübtheen fuhr man mit der Eisenbahn, Rolf Roßmann

 

Heiddorf war der einzige Haltepunkt, der nur dem Personenverkehr vorbehalten blieb

 

Im Mai 1888 enthielt die amtliche Beilage des „Regierungsblattes“ die Bekanntmachung des Großherzoglichen Ministeriums des Inneren, daß der Schachtbaugesellschaft Jessenitz zu Schwerin auf ihren Antrag die Erlaubnis zur „Ausführung der Vorarbeiten für eine Eisenbahn untergeordneter Bedeutung von Jessenitz über Malliß zur Elde ...“ erteilt worden war.

Wie das Ludwigsluster Tageblatt wenige Tage später berichtete, waren die Behörden der von den Vorarbeiten betroffenen Feldmarken angewiesen worden, „den mit der Ausführung der Arbeiten nachweislich beauftragten Technikern und ihren Gehilfen das Betreten der Feldmarken behufs der zur Ermittlung und Feststellung der Richtungslinie erforderlichen Messungs-, Nivellierungs und sonstigen Arbeiten innerhalb der betreffenden Ortsgebiete zu gestatten ...“.

Am 28.07.1888 wurden die Anträge der Direktion zur Ausführung einer „Sekundärbahn“ von Malliß nach Lübtheen durch die außerordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn genehmigt. Die „Zweigbahn“ Malliß - Lübtheen war hauptsächlich auf den Betrieb des Kalisalzwerkes Jessenitz bei Lübtheen berechnet worden. Die im März 1889 gegründeten „Mecklenburgischen Kalisalzwerke Jeßnitz“ beabsichtigten das dort erschlossene Kalisalz abzubauen und zu Chemikalien und Düngemittel zu verarbeiten.

Im Regierungsblatt Nr. 16 vom 27. April 1889 wird die Bahnstrecke Malliß-Lübtheen folgendermaßen beschrieben: „Die Eisenbahn untergeordneter Bedeutung von Malliß nach Lübtheen zweigt sich in südlicher Richtung aus dem Bahnhofe Malliß der Schwerin-Dömitzer Eisenbahn ab, wendet sich dann nach Westen und weiterhin vom Dorfe Woosmer ab nach Nordwesten. Sie führt auf diesem Wege durch die Feldmarken Malliß, Bockup, Raddenfort, Großherzogliche Forst Heiddorf, Hof Woosmer, Tews-Woos, Neu-Jabel, Alt-Jabel, Großherzogliche Forst Quast, Großherzogliche Forst Lübtheen, Feldmark Trebs, Jessenitz, Großherzogliche Forst Lübtheen und Feldmark Lübtheen. Sie ist 23,3 km lang und wird außer der Anfangsstation  Malliß und der Endstation Lübtheen die Haltestellen Woosmer, Jabel und Jessenitz für Personen und Güterverkehr, sowie einen Haltepunkt für Personen-Verkehr an der Chaussee von Ludwigslust nach Dömitz bei Heiddorf erhalten..“.

Da die Teilstrecke Malliß - Dömitz der Primärbahn von Dömitz - Ludwigslust bereits Anfang Oktober 1889 mit Frachtzügen befahren wurde, drängten die Aktionäre der Lübtheener Kalisalzschächte auf eine schnelle Fertigstellung der Lübtheener Strecke.

Die endgültige Übernahme der Bahnstrecke Malliß Lübtheen erfolgte, nach einigen Terminschwierigkeiten am 21. Dezember 1889. Die Eröffnung des Personenverkehrs fand am 28. Dezember statt. Zunächst fuhren auf der Strecke täglich zwei Züge in beide Richtungen. Nach Fertigstellung des Streckenabschnittes Malliß - Ludwigslust verkehrten dann fahrplanmäßig drei Züge in beide Richtungen.

Einziger Haltepunkt, der nur dem Personenverkehr diente, war Heiddorf. Hier, am Heiddorfer Friedhof, querten die Gleise an einem unbeschrankten Bahnübergang die Chaussee Dömitz-Ludwigslust. Nur ein einfaches Wartehäuschen bot den Reisenden hier Schutz vor schlechtem Wetter. Lieschen und Uli Scheper aus Bockup erinnern sich, daß die Bahnfahrkarten in der benachbarten Gastwirtschaft des „Jackenkräugers“ Friedrich Koss verkauft wurden. Die Bahnstrecke Malliß Lübtheen war bis 1945 in Betrieb. Die Gleise wurden nach Kriegsende im Rahmen der Reparationsleistungen demontiert.

 

Luftpostpioniere 1919 bei Dömitz notgelandet, Rolf Roßmann

 

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges bricht über die während des Krieges aufgeblühte Flugzeugindustrie die Katastrophe herein. Die Heeresaufträge fallen von heute auf morgen weg, ein Luftverkehr existiert noch nicht. Hinzu kommen die Arbeiterunruhen der Novemberrevolution, die die Werke vor zusätzliche Probleme stellen. Politik und Flugzeughersteller suchen nach Alternativen.

So gelang es Deutschland währen der Zeit zwischen November 1918 und dem Inkrafttreten der Bestimmungen des Versailler Vertrages im Mai 1920 einen bescheidenen Luftpostverkehr aufzubauen. Schon am 8. Januar 1919 gründete die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft (AEG) die Deutsche Luftreederei (DLR), mit der die ersten Luftpostlinien beflogen wurden.

Der erste offizielle Postflug führte im Februar 1919 von Berlin nach Weimar zur deutschen Nationalversammlung. Am 1. März 1919 wurde die zweite Luftpostverkehrsstrecke der DLR, die 260 km lange Linie Berlin und Hamburg eröffnet. Etwa einen Monat später konnte auf dieser Strecke der Luftpostverkehr in vollem Umfang aufgenommen werden.

So wie andere Luftpostlinien, wurde auch die Strecke Berlin - Hamburg zunächst mit Maschinen vom Typ AEG J II und LVG C IV bzw. LVG C V beflogen. Die technische Ausstattung der Flugzeuge ließ nach heutigen Maßstäben natürlich noch sehr zu wünschen übrig. So fielen immer wieder einzelne Postflugzeuge wegen technischer Defekte aus. Auch die Strecke Hamburg-Berlin, auf der 1919 insgesamt 571 Postflüge stattfanden und auf der die Flugzeit damals etwa 3 ½ Stunden betrug, forderte ihren Tribut.

In der Umgebung von Dömitz mußten innerhalb von zwei Monaten drei Postflugzeuge notlanden. Über diese drei Havarien berichteten auch die damaligen Tageszeitungen.

Am 15. April 1919 brachte das „Ludwigsluster Tageblatt“ folgende Mitteilung: „Eine Notlandung des Postflugzeuges von Berlin nach Hamburg mußte Freitag infolge Motordefekts in Groß-Schmölen vorgenommen werden. Die Weiterfahrt konnte jedoch gegen Abend wieder aufgenommen werden.“ Das Dorf Groß-Schmölen liegt etwa drei Kilometer Luftlinie vor Dömitz, und die Menschen hier müssen am 11. April 1919 über diese Landung sehr erstaunt gewesen sein.

Bereits einen Tag später berichtete die gleiche Zeitung über die mißglückte Notlandung eines Postflugzeuges in der Nähe von Pinnau, etwa 14 Kilometer Luftlinie hinter Dömitz: „Das Postflugzeug Hamburg - Berlin mußte Sonntag morgen (13. April 1919, d. Verf.) infolge Bruches eines Kühlrohres bei Pinnau (etwa 14 Kilometer nordöstlich von Dömitz, d. Verf.) eine Notlandung vornehmen. Da die Landungsstelle ungünstig war, geriet das Flugzeug auf verschiedene Hindernisse, stürzte ab und ist vollständig zertrümmert. Die Führer sind ohne Schaden davon gekommen, die ungefähr drei Zentner  schwere Post wurde in Dömitz aufgegeben.“

Einen wohl ungewöhnlichen Rückweg nahm das defekte Postflugzeug, welches am 23. Mai 1919 in Heiddorf, etwa sechs Kilometer vor Dömitz niederging. In der Zeitung hieß es dazu: „Infolge Motordefekts mußte am Freitag (23. Mai 1919, d. Verf.) in Heiddorf das Postflugzeug Berlin - Hamburg landen. Das Flugzeug mußte mit der Bahn zurücktransportiert werden.“ Über die Art und Weise des Transportes wurde nichts Näheres berichtet. Für die Einwohner von Heiddorf, die dem Flugzeugtransport zusehen durften, muß sich ein interessantes Schauspiel geboten haben, denn der Bahntransport wird in Dömitz abgegangen sein. Die damals recht enge Straße, die zwischen Heiddorf und Neu-Kaliß über den Komplex der ehemaligen Getreidemühle „Findenwirunshier“ führte, wird einer Verladung auf dem Bahnhof in Neu-Kaliß wohl entgegengestanden haben.

Infolge Treibstoffmangels mußte der regelmäßige Luftpostverkehr Ende Juni 1919 auch auf der Linie Hamburg - Berlin zunächst eingestellt werden.

 

Luftschiffe über Südwestmecklenburg, Rolf Roßmann

 

Zum ersten Male erhob sich am 2. Juli 1900 ein Luftschiff am Bodensee. Ganze 10 Minuten hielt sich Graf Ferdinand v. Zeppelin (1838 bis 1917) mit seinem Luftschiff „LZ 1“ in der Luft.

Nach weiteren Erprobungen glückten die nächsten Flüge erst wieder im September 1907 mit dem „LZ 3“. Bis 1910 steigerte man die Leistung der Motoren auf das Zehnfache. Durch technische Neuerungen wurden die Luftschiffe fortan nicht nur leistungsfähiger, sondern auch sicherer. Intensiv arbeitete man am Ausbau der deutschen Luftschiff Flotte.

Vermutlich erstmals am 29. Oktober 1910 überflog ein Luftschiff das südwestliche Mecklenburg. Das Luftschiff „Parseval 6“ kam von Berlin und überflog auf seinem Weg nach Schwerin u. a. auch Ludwigslust. Das „Ludwigsluster Tageblatt schrieb damals: „Die Fahrt war außerordentlich ruhig und sicher, aber doch schnell. Ueber der Stadt schien das Schiff in 150 m Höhe zu steuern, später ging es tiefer. Deutlich konnte man acht Personen in der Gondel sehen. Ein zahlreiches Publikum begrüßte das Luftschiff auf das Lebhafteste. Diese Grüße wurden von der Gondel aus erwidert.“

Mitte November 1911 mußte Ludwigslust auf den in der Tageszeitung angekündigten Überflug des Luftschiffs LZ 10 „Schwaben“ verzichten. Das auf seinem Flug von Düsseldorf nach Berlin befindliche Luftschiff „Schwaben“ flog tatsächlich am 19. November über Hamburg nach Berlin, wählte aber den vermutlich kürzeren Weg entlang der Elbe über Dömitz.

Die LZ 10, fertiggestellt im Juni 1911, war eines der erfolgreichsten Verkehrsmittel der Deutschen Luftschiffahrts-AG. Während ihrer einjährigen Lebensdauer bewältigte sie über 27000 km. Am 28. Juni 1912, als man das Luftschiff nach Düsseldorf überführte, stauchte es an einer Hallenwand und verbrannte auf dem Flugfeld.

Als das Marineluftschiff L 1 im August 1913 von Berlin-Johannisthal nach Hamburg überführt wurde, überflog es auch südwestmecklenburgisches Territorium. Am 15. August  berichtete das „Ludwigsluster Tageblatt“ aus Dömitz, daß die L 1 nachmittags „...um 3 Uhr in geringer Höhe nördlich an unserer Stadt ...“ vorüberflog. L 1, ursprünglich LZ 14 machte seine Jungfernfahrt als Marineluftschiff am 7. Oktober 1912. Da die Marine ihre Luftschiffe mit > L < bezeichnete ging das LZ 14 dann als L 1 in die Luftschiffgeschichte ein. Ihm war aber ebenfalls kein langes Dasein beschieden. Während eines Gewitters am 09. September 1913 wurde es auf die vom Sturm aufgewühlte Nordsee gedrückt und sank.

Ein weiterer Luftschiffüberflug wurde am 25. Januar 1914 aus Dömitz gemeldet: „Durch ein Geknatter im Nordwesten (Richtung Hamburg) meldete sich Freitag das Luftschiff `Sachsen` an, um nach Südosten (Richtung Berlin) seine Fahrt fortzusetzen. Das Luftschiff flog so niedrig über unsere Häuser hinweg, daß man es sehr gut beobachten konnte, doch so schnell es kam, so schnell war es wieder verschwunden, und die Freude hatte ein schnelles Ende.“ Vermutlich befand sich die „Sachsen“ auf seinem Überführungsflug von Hamburg nach Potsdam.

Sechs Monate später wurde „Sachsen“ in den Heeresdienst übernommen und im Interesse des deutschen Militarismus zu Kriegsfahrten eingesetzt. Ab September 1915 Schulschiff der Marine, wurde es schon im Herbst 1916 als veraltet abgerüstet.

Im Ersten Weltkrieges wurden vorhandene Luftschiffe zunächst zu Aufklärungsflügen, später auch zu Angriffs- und Bombenfahrten eingesetzt.

Nach dem Kriege verhinderten die Bedingungen der Alliierten zunächst einen weiteren Luftschiffbau. Erst 1926 legte man die LZ 127, wesentlich bekannter unter dem Namen „Graf Zeppelin“, auf Kiel. Die spektakulärsten Flüge des 1928 fertiggestellten Luftschiffs führten es nach Amerika (1928) einmal um die Erde (1929) und in die Arktis (1931).

In den Jahren 1928/29 unternahm LZ 127 auch neun Inlandfahrten. Meine Großmutter, Anni Winter, erinnerte sich an zwei Inlandflüge, jeweils auf der Strecke Hamburg - Berlin und zurück.

Sie wußte zu berichten, daß eines Tages überraschend diese mächtig große „Zigarre“ am Himmel auftauchte. Das Luftschiff, das am Bug den Namen „Graf Zeppelin“ trug, schwebte langsam und bedächtig über die Gemeinde Neu-Kaliß dahin. Die Menschen hielten in ihren Tätigkeiten inne und blickten erstaunt und voller Bewunderung zu dem Luftschiff auf, das relativ niedrig über die Ortschaft hinweg flog, und sie schauten ihm nach, bis es hinter Häusern und Bäumen wieder verschwand.

Der so erfolgreiche „Graf Zeppelin“ wurde im März/April 1940 auf Anordnung des Nazi-Luftfahrtministeriums gesprengt; die Aluminiumteile fanden Verwendung in der Kriegsindustrie.

[Verwendete Literatur: 1.) Luftschiffe. Peter Meyer. Bernhard & Graefe Verlag, Bonn 1996; 2.) Ludwigsluster Tageblatt vom 29.10.1910; 18.-20.11.1911; 17.08.1913 und 25.01.1914]

 

Im November 1893 gründete sich die Molkerei-Genossenschaft Eldena, Rolf Roßmann

 

Genossenschaftliche Produktionsweisen haben eine lange Tradition

 

Erste Genossenschaften gab es bereits zur Römerzeit. Diese von Armen und Schwachen immer wieder gegründeten Organisationen entwickelten sich im späten Mittelalter zu Vereinigungen mit sozial-religiöser und später sozialistischer Ausrichtung. Während die Genossenschaften unter kapitalistischen Produktionsbedingungen das Ziel verfolgten, den Profit aus der Ausbeutung fremder Arbeitskraft brüderlich zu teilen, schlossen die sozialistischen Genossenschaften, als brüderliche Vereinigungen gemeinsam Arbeitender durch ihr Prinzip des Zusammenschlusses der Produzenten selbst, eine Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft aus. (Nach Peters synchronoptischer Weltgeschichte, Universum Verlag München, 1994)

 

Am 09. November 1892 trafen sich im Lokal des Gastwirts Beckmann die Mitglieder des landwirtschaftlichen Vereins Eldena zu ihrer Herbstversammlung. Die Veranstaltung, über die das „Ludwigsluster Wochenblatt“ am 19.11.1892 berichtete, war sehr gut besucht, denn zur Diskussion stand die Gründung einer Genossenschaftsmolkerei in Eldena.

Befürworter eines solchen Projektes gingen davon aus, daß, wenn sich von den etwa 300 größeren um Eldena gelegenen Höfen etwa 1/3 an diesem Projekt beteiligen würden, das Projekt leicht ausführbar sei. Jener Befürworter „hob auch noch hervor, daß die Gründung auf die Wirtschaft der Beteiligten vorteilhaft einwirken würde und auch daß Eldena seiner äußerst günstigen Lage wegen sich vorzüglich dazu eigne.“

Nach einem Bericht über die Zarrentiner Genossenschaftsmolkerei und einer ersten Debatte wurde beschlossen, „...dem Projekte näherzutreten...“

Auf den 08. Februar 1893 wurde durch den Vorsitzenden des landwirtschaftlichen Vereins, Herrn Ranterberg aus Dadow, die „Gründungsversammlung“ der Molkereigenossenschaft Eldena einberufen. Geladen waren auch der Vorsitzende des Molkereivereins Picher, Erbpächter Beckmann aus Bresegard sowie der Erbpächter Laase aus Picher. Auf Ersuchen der Eldenaer berichtete Beckmann über das Pichersche Unternehmen Folgendes: „Gegen das Pichersche Unternehmen sei von vornherein sehr stark agitiert und wie allgemein bekannt, sei die Agitation auch heute noch nicht verstummt, sie würde hauptsächlich betrieben von Viehhändlern, Kaufleuten und sonstigen Gegnern und entspringe dem Eigennutze und sonstigen unlauteren Motiven. Ja, es sei von den Gegnern sogar das Gerücht verbreitet, daß die Genossenschaft sich bald insolvent erklären müsse, denn sie habe keine Milch zu verarbeiten und zahle nur 2½ -4½ per Ltr. Nun darauf solle sie lange warten! Die Molkerei, welche von 40 Genossen gegründet sei, koste 35000 Mk. und verarbeite augenblicklich die Milch von 250 Kühen. Die Lieferanten hätten bisher pro Liter ca. 8½ Pf. erhalten können ...“

Auch der Erbpächter Laase verwies auf den allgemeinen Nutzen einer Molkerei und empfahl den Anwesenden die baldige Gründung einer Genossenschaft.

Abschließend wurde über das Statut, über welches bereits in einer vorherigen Kommissionssitzung beraten worden war, abgestimmt. „ Die Annahme desselben erfolgte einstimmig und wurde die Unterzeichnung von 36 Genossen ausgeübt. ... Dem Verlangen einiger Landwirte, ihre Beitrittserklärung in den nächsten 14 Tagen noch machen zu können, wurde nicht Folge gegeben, sondern ihnen nur eine achttägige Frist zugestanden.“

Im Juli des gleichen Jahres wurde durch den Maurermeister Blum und Zimmermann Prosch der Bau des Molkereigebäudes in Angriff genommen.

Die erste maschinelle Einrichtung wurde dann vom Bergedorfer Eisenwerk geliefert.

Der eigentliche Betrieb der Genossenschaft konnte mit einer Menge von 2000 Liter Milch aber erst am 20. November 1893 aufgenommen werden. Das „Ludwigsluster Wochenblatt“ schrieb am 22.11. aus Eldena: „Um auch für größere Milchmengen das zum Betriebe erforderliche Wasser zu verschaffen, wird augenblicklich vom Brunnenmacher Schweigmann - Ludwigslust eine Tiefenbohrung ausgeführt, welche deutliche Spuren aufzuweisen hat, daß in hiesiger Gegend Braunkohlenlager weit verzweigt vorhanden sein müssen. Die vorgenommene Bohrung hat gegenwärtig die Tiefe von 35 m erreicht und man hofft, in einigen Tagen zu der nöthigen Kiesschicht zu gelangen, welche das erforderliche Wasser liefern wird.“

Ein Jahr später zählt die Molkereigenossenschaft Eldena bereits 94 Mitglieder. Auf dem einjährigen Jubiläumsfest, welches am 23.11.1894 im Lokal des Gastwirts Schwerin stattfand und das von den Genossenschaftsgegnern scherzhaft als „Buttermilchs- und Magermilchsball“ bezeichnet wurde, konnte man bereits „mit Ruhe der Weiterentwicklung“ des Unternehmens entgegensehen.

 

Wandertage zum Alt-Kalißer Reuterstein haben Tradition, Rolf Roßmann

 

Im Jahre 1885 errichteten Verehrer des beliebten mecklenburgischen Schriftstellers Fritz Reuter in der Kalißer Heide dem Dichter zu Ehren einen Gedenkstein. Dieser steht an der Kreuzung zwischen Kaliß, Neu-Kaliß, Liepe und Göhren, an jener Stelle, von der Fritz Reuters Frage an seinen Hund Schüten überliefert ist: „Ja, aewer wecker Weg was de rechte?“

In den folgenden Jahrzehnten war der Reuterstein Ausflugsziel unzähliger Interessierter, die per pedes, mit dem Fahrrad oder mit dem Wagen kamen, die frische Waldluft genossen und sich gelegentlich vor dem Reuterstein auch ablichten ließen. Bis in die zwanziger Jahre, so ist überliefert, fanden am Reuterstein alljährlich auch sogenannte Reuterfeiern statt.

Während der Kriegs- und Nachkriegsjahre kam man in die Nähe des Reutersteins dann hauptsächlich zum Sammeln von Pilzen, Beeren und Kräutern.

Nach langjähriger Vernachlässigung wurde der Reuterstein mitsamt Fundament erst 1965 durch die LPG-Baugenossenschaft „Reuterstein“ wieder instandgesetzt.

Im Juni 1980 fand erstmalig eine durch den Dorfclub Kaliß organisierte Wanderung zum Reuterstein statt. Ilse und Otto Jahnke aus Neu-Kaliß, die beide von Anfang an dabei waren, erinnern sich, daß damals mit den Kindern am Reuterstein Kreisspiele gemacht wurden und die Erwachsenen sich an den Lüftchen labten, die durch den umliegenden Kiefernwald strichen.

Hans Buß erinnert sich an die zunächst sehr private Atmosphäre dieser Ausflugsveranstaltung. Familie Jahnke stimmte Lieder an und Inge Wilk aus Raddenfort begleitete die Sängerschar auf dem Akkordeon.

Im Marschgepäck hatten die Wanderer und Radler Schmalzstullen und Kaffee, Speck und Schwarzbrot, Erdbeeren und Limonade.

Zeitweise fand der Wandertag im Rahmen der „Woche der Jugend und des Sports“ statt. Der Dorfklub lud auf Handzettel „jung und alt“ zur Reuterstein-Wanderung ein. So fanden immer mehr Menschen den Weg in die Kalißer Heide.

Ab 1985 wurde diese Wanderung durch den Dorfklub Kaliß als Volkswandertag organisiert. Von da an erwartete die Ausflügler am Ziel ein Kulturprogramm. Hartmut Brun aus Polz, der als einer der eifrigsten Initiatoren dieser Veranstaltung gilt, las aus Dichters Werk und das Orchester der sowjetischen Garnison Ludwigslust erfreute die Anwesenden mit Blasmusik. 1985 folgten dem Aufruf des Kalißer Dorfklubs bereits mehrere hundert Menschen.

Heute wird am Reuterstein anläßlich jährlich des am ersten Septembersonntag des durchgeführten Literarischen Wandertages an Fritz Reuter und andere niederdeutsche Autoren in Form von Lesungen im Rahmen eines kleinen Volksfestes erinnert. Organisator ist heute das Amt Malliß. 1996 kamen etwa 1000 Literatur- und Wanderfreunde zum Reuterstein.

 

Die Sage vom „Weißen Roß“, Rolf Roßmann

 

Kurz nach dem 30jährigen Krieg wurde an einem rauhen Herbsttag an der Wegkreuzung zwischen Woosmer, Rüterberg und Wehningen eine merkwürdige Grenzmarkierung vollzogen.

Auf dem Grenzweg zwischen Mecklenburg und Niedersachsen bewegte sich seinerzeit ein sonderbarer Trupp. Voran, auf einem Schimmel, ritt der „Edelmann“ von Bülow. Begleitet wurde dieser von einem Gerichtsschreiber und drei Wehninger Dorfbewohnern. Die Wegscheide zwischen Woosmer und den Wehninger Ländereien sollte an diesem Tage festgelegt und markiert werden. Von Bülow war mit den Woosmerschen seit langem in einen Grenzstreit verwickelt. Dessen Ausgang wollte er nun durch vollendete Tatsachen endlich zu seinen Gunsten beenden. Die Bauern sollten anschließend die Richtigkeit der Grenze beschwören.

Nun wußte der Freiherr von Bülow, daß die Bauern sehr gottesfürchtig waren und sie das „himmlische Gewissen“ nach dieser Tat wohl mächtig plagen könnte. So hatte er eine List ersonnen. Er ließ die Bauern eigene Erde in die Stiefel schaufeln und wies sie an, während des Grenzabsteckens ruhigen Gewissens zu behaupten, „Wohrhaftigen Gott, hier stah ick up uns´ eegen Grund un Bön, denn hier geiht de Scheid`!“. Auf diese listige Weise sollten den Bauern ihre Skrupel genommen werden.

Doch diesen schauderte ob des falschen Zeugnisses: „De Herrgott ward em strafen vör sien Leigen, un gaud kann em dat hiernah nich gahn.“ Vor allem wegen seines Eides auf die Zeugenschaft seines „Herrgotts“ wurde dem Freiherrn von Bülow nach der folgenden Gerichtssitzung das Recht und somit das strittige Land zuerkannt.

Wenige Monate nach der Gerichtsverhandlung starb der Freiherr von Bülow. Sein Geist aber sollte nicht zur Ruhe kommen. Vorbeikommende wollen den Freiherrn oftmals um Mitternacht, kopflos und auf seinem Schimmel sitzend, die Wegscheide entlang reiten sehen haben. Sie wollen die Rufe des alten von Bülow vernommen haben: „Hier geiht de Scheid!“. Auch das rhythmische Klopfen, welches auf das Einschlagen von Pfählen herrühren könnte soll zu diesen Zeiten die nächtliche Stille durchbrochen haben.

[Nach einem 1922 gefertigten Manuskript des Kantors Koop aus Wehningen, welches mir der ehemalige Lehrer Walter Hülß aus Kaarßen freundlicherweise zur Verfügung stellte.]

 

Natascha starb kurz vor Kriegsende, Rolf Roßmann

 

Vor etwa fünf Jahren hielt ich das Bild mit dem wehmütigen, aber hübschen Mädchengesicht das letzte mal in den Händen. Ihr Haar war auf dem Rücken zu einem Zopf zusammengeflochten.

Natascha war eine der unzähligen Fremdarbeiterinnen, die die deutschen Faschisten während des Zweiten Weltkrieges aus den besetzten Gebieten verschleppten, um sie für sogenannte Sonderaufgaben in Fabriken und auf Bauernhöfen einzusetzen. In Neu Kaliß wurden etwa einhundert der Papierfabrik zugeteilt, die den Titel „Spezialbetrieb der deutschen Rüstungsindustrie“ führte.

Für den Umgang mit Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern aus den Ostgebieten, zu denen auch Natascha zählte, schrieb der „Sonderdienst der Reichspropagandaleitung“ verschärfte Regeln vor: „Das Zusammensein mit den Ostarbeitern hat sich allein auf die gemeinsame Arbeit zu beschränken. Auch die Papierfabrik in Neu-Kaliß hielt sich an diese Vorschrift. Ostarbeiterinnen und -arbeiter lebten in einer von den übrigen getrennten Baracke unweit der Elde. Dieselbe Baracke wurde zu DDR-Zeiten noch viele Jahre von der POS Neu Kaliß für den Sportunterricht genutzt. Gemeinsame Essenpausen für FremdarbeiterInnen und deutsche ArbeiterInnen gab es auch in Neu Kaliß nicht. Wie befohlen erledigten die OstarbeiterInnen auch in Neu Kaliß überwiegend schwere Arbeiten. Dazu gehörte u. a. die Belieferung der MaschienenarbeiterInnen, sowie der weitere Transport der Zwischen- und Fertigprodukte. Persönliche Kontakte ließen sich bei dieser Art von Arbeiten nicht vermeiden. Man bedankte sich für Handreichungen, tauschte Freundlichkeiten aus und war nicht sonderlich bemüht, vorhandene Sympathien zu verbergen.

Es waren alles bescheidene Menschen, die bei der gemeinsamen Arbeit zu Kollegen wurden. Die Neu Kalißer erfuhren von der Melancholie und vom Heimweh der Fremden. Großes Heimweh bemerkten sie bei der erst 17-jährigen Natascha.

Sie fand Anlehnung und Zuwendung bei einer Arbeiterin aus Dömitz, namens Ella Diehn und auch meine Großmutter schloß Natascha in ihr Herz. Natascha schenkte ihr ein Foto von sich, jenes, das ich jetzt vermisse.

Am 29.04.1945, einem Sonntag, wenige Tage vor Kriegsende, überflogen alliierte Bombengeschwader die Elbe. Während im Luftschutzkeller der Papierfabrik eine kirchliche Kindstaufe stattfand, mußte ein Teil der Gefangenen den Fabrikhof fegen, unter ihnen auch Natascha. Plötzlich ertönte Sirenengeheul. Die Gefangenen wurden zum Weiterfegen gezwungen. Ein das Geschwader begleitender Jäger drehte ab. Nur wenige Salven feuerte er auf die überraschten Menschen ab. Zwei Mädchen überlebten diesen nur kurzen Beschuß nicht: Natascha Borisenkowa (17) aus Smolensk und Olga Terentenko (20) aus Petrekowka.

Die beiden noch blutjungen Mädchen wurden am darauffolgenden Tag auf dem Friedhof in Neu Kaliß beigesetzt, beide gemeinsam in nur einem Sarg. Zusammen mit dem Landwirt Rudolf Rienitz (76), der auf dem Treck verstorben war und dem „Ostarbeiter“ Dimitry Dschelenko (19), der bei Munitionsaufräumungsarbeiten verunglückter, erhielten sie eine gemeinsame Grabstelle und einen gemeinsamen Grabstein.

 

Vom Marinearsenal in Malliß, Rolf Roßmann

 

Im Jahre 1937 begann die Deutsche Kriegsmarine in Malliß, westlich der Dömitzer Chaussee, ein Arsenal für Wasserminen (Seeminen) anzulegen. Auf dem Gelände des sogenannten Marinearsenals wurden von 1937 bis 1939 eine große Anzahl Depothallen errichtet. Diese hatten eine Grundfläche von etwa 20 x 8 Meter und das Aussehen von halben Ovalen. Sie waren mit Gras und Buschwerk gegen Luftbeobachtung getarnt. Noch heute fallen auf dem Arsenalgelände die in dieser Gegend untypisch vielen, zur Tarnung angepflanzten Ginster- und Weißdornsträucher auf, die heute nur noch die unzähligen Trümmer in diesem Waldgebiet bedecken. Die ins Erdreich eingegrabenen Konturen der Depots sind auch heute noch meistenteils sehr gut erkennbar.

Der An- und Abtransport der Seeminen, die hier nicht hergestellt sondern nur gelagert wurden, erfolgte ausschließlich über den Schienenweg. Hierzu hatte man das Marinearsenal 1939 über die Gleisanlagen des ehemaligen Kalischachtes an den Mallißer Bahnhof angeschlossen. Um eine direkte Kreuzung der gefährlichen und geheimzuhaltenden Fracht mit der heutigen B 191 zu vermeiden, wurden die Gleisanlagen am Abzweig nach Conow mit einer Straßenbrücke überbaut.

Die normalspurigen Gleisanlagen endeten, vom Bahnhof kommend, kurz hinter einer der beiden Toreinfahrten des Arsenals an einer Verladerampe. Über diese wurden die Seeminen, die bekanntlich nach ihrem Verlegen nur mit den stachelförmigen Zündern aus dem Wasser ragten, auf eine Schmalspurbahn verladen. Die Gleisanlagen der Schmalspurbahn führten zu jedem einzelnen Depot und durchzogen so netzförmig das gesamte Gelände des Marinearsenals.

Das Terrain des Arsenals galt als militärisches Sperrgebiet, war aber nur mit einem einfachen Maschendrahtzaun gesichert und wurde von Angehörigen der Kriegsmarine bewacht.

An den Torpfeilern des Haupteinganges waren jeweils stilisierte Minenreliefs angebracht, deren Aussehen man heute an den abgeschlagenen Resten nur noch erahnen kann. Auch der Standort der das Arsenal schmückenden „Minenfontäne“ läßt sich an Hand der Mauerreste bestimmen.

Die in Dömitz hergestellte Fontäne bestand aus einer auf einem quadratischen Natursteinsockel ruhenden Seemine, aus der Wasserfontänen herausspritzten. Diese Plastik war nochmals mit einer ebenfalls quadratischen Natursteinmauer umgeben.

Gegenüber dem heutigen Spanplattenwerk hatte man fünf oder sechs Baracken errichtet, die zunächst den Bauleuten, später den einfachen Wachmannschaften als Unterkunft dienten. Etwas besser wohnten die Offiziere in der sogenannten Arsenalsiedlung in Malliß, die heute sogar unter Denkmalschutz steht. Der Kommandant, ein „Admiral von ...“ und andere hohe Marineoffiziere wohnten in den beiden Häusern an der B 191 in Dömitz, in denen heute ein Seniorenheim untergebracht ist. Wievielen Menschen, sowohl Zivilisten als auch Soldaten, mögen die einst hier gelagerten Minen schwere Verletzungen oder den Tod gebracht haben? Das Marinearsenal hinterließ wohl eine der unrühmlichsten Narben, die dem sonst so interessanten und reizvollen Wanzeberg je geschlagen wurden.

Uli Scheper aus Bockup weiß zu berichten, daß im Arsenal auch Zivilbeschäftigte aus den umliegenden Dörfern angestellt waren. Dies betraf vor allem technische Berufe, wie beispielsweise Elektriker, Schlosser u. a.. Als in den letzten Kriegstagen in Malliß amerikanische Truppen einzogen, erkannten auch die Wachmannschaften des Arsenals die Sinnlosigkeit jeglichen Widerstandes. So übergaben sie das Mallißer Marinearsenal und sich selbst kampflos an die amerikanischen Truppen.

In der Kolonne, die wenig später auf den Weg in Richtung Westen in Marsch gesetzt wurde, marschierte auch der Sohn eines Friseurmeisters Schütt aus Heiddorf. Als die Gefangenen durch Heiddorf zogen, standen die Menschen vor ihren Häusern an der Straße. Vor seinem Elternhaus in Heiddorf gelang es dem Gefangenen Schütt, sich aus der Kolonne zu lösen und zwischen den Schaulustigen zu verschwinden. Mit viel Glück war er so einer ungewissen Gefangenschaft entronnen. Vielleicht hatte auch einer der Wachsoldaten ein Auge zugedrückt. Weniger Glück hatten Wehrmachtsangehörige, die auf der Ladefläche eines Lkws ihren Weg in die Gefangenschaft antreten sollten.

Deutsche Soldaten hatten in letzter Minute noch viele Straßen vermint. Eine Panzermine am Ortseingang von Bockup konnte glücklicherweise noch rechtzeitig entschärft werden. Die Verminung der Chaussee von Malliß nach Heiddorf hatte allerdings schlimme Folgen. Das Fahrzeug mit den Gefangenen fuhr in der Heiddorf-Bockuper Kurve, etwa zwei Kilometer südlich des Marinearsenals auf eine dieser heimtückischen Waffen und flog mit seiner menschlichen Ladung in die Luft.

Da sich bisher niemand an das genaue Datum dieses Unglücks erinnern konnte, bleibt zu vermuten, daß es sich am 2. Mai 1945 ereignete. An diesem Tag wurde im Kirchenbuch der Gemeinde Neu Kaliß, zu dem auch Heiddorf gehört, der Tod von vier Wehrmachtsangehörigen vermerkt, die unterschiedlichen militärischen Verbänden angehörten und die, nach der Erinnerung von Zeitzeugen, nicht Opfer von Kampfhandlungen gewesen sein konnten.

Diese vier Soldaten und ein weiterer Soldat, dessen Tod im Neu-Kalißer Kirchenbuch zwei Tage später vermerkt wurde, begrub man unweit der Unglücksstelle, auf dem Friedhof in Heiddorf.

 

Gutes Geld für gute Noten, Rolf Roßmann

 

Es war kurz vor dem ersten großen Krieg, als an einem Sonnabendnachmittag drei Dömitzer Geschäftsleute mit dem Kutschwagen eine Landpartie zum Reuterstein, der in den Kalißer Tannen am Kreuzweg zwischen Liepe und Neu-Kaliß steht, unternahmen. An dem aus Findlingen erbauten Gedenkstein ließen die Herren sich in der Heide nieder. Hier packten sie ihre mitgebrachten Weinflaschen aus und begannen sich Brot, Speck und Wurst übers Messer zu schneiden. Die drei Rastenden ließen sich ihr Picknick wohl schmecken und genossen die frische Luft von Wald und Heide.

Der Reuterstein war aber nicht das einzige Ziel der drei Ausflügler. Sie wußten, daß im nahen Kaliß am Abend zur Tanzmusik aufgespielt werden sollte. So standen sie mit ihrem Kutschwagen wenig später vor dem dortigen Gasthaus des Krügers Schulenburg. Die drei Kaufleute ließen sich an einem Tisch im Schankraum nieder. Durch Kutschfahrt und Wein waren sie bei bester Laune und amüsierten sich nun bei Bier und Köm als schon die Tanzgäste auf den Saal eilten und die Tanzmusik bereits begann. Mit den vorbeiströmenden Gästen scherzten sie auf allerlei Art.

Besonders der eine von ihnen hatte, wie man so sagt, „ümmer een Hasenpot in de Tasch“ (er war immer zu einem bösen Späßchen aufgelegt). Für einen Schabernack hatte er sich aber ausgerechnet den Krüger Schulenburg ausgesucht, winkte ihn heran und provozierte ihn mit ernster Mine: „Lettst du di dat gefall`n Schulnborch? Half un vittel Noten smieten´s di hier mang dien Musik. Hürst du dat gor nich?“

Krüger Schulenburg war erst einmal baff. Aber daß er als Geschäftsmann hier vermutlich betrogen werden sollte, sah er nicht so gern. Schnurstracks lief er auf den Saal, stampfte auf die Bühne und baute sich vor den Spielleuten auf: „Beermann wat smittst du ümmerto vittel un half Noten dor mang? Glöwst du, ick hür dat nich? Kriggst du nich för vull betahlt?“

[Frei nach Schwank-Sammlung Wossidlo]

 

1741: „Pferdemusterung“ und ihre Folgen, Rolf Roßmann

 

Das Dorf Kaliß, welches am Rande der Griesen Gegend, in Sichtweite vor Dömitz liegt und vor zweihundertfünfzig Jahren noch Calitz geschrieben wurde, war mehr als dreihundert Jahre lang verwaltungsmäßig zweigeteilt. Ein Teil des Dorfes unterstand seit dem 15. Jahrhundert dem Amt Dömitz, der andere Teil gehörte zum Amt Grabow. Eine solche Ämter-Zweiteilung war recht ungewöhnlich. Daraus resultierten so mancherlei Schwierigkeiten.

So erfuhren im Sommer 1741, es ist das Jahr, in dem der Herzog Karl Leopold auf schwedischen Druck die Stadt Wismar verlassen mußte und nach der Festung Dömitz zurückkehrte (wo er 1747 auch starb), mecklenburgische Regierungsbeamte aus der Zeitung (!), daß ein Grabower Landreiter im Dorf Calitz, eine „Pferdemusterung“ vorgenommen hatte. Zur Aufklärung der offensichtlichen Amtsüberschreitung des Grabower Beamten ordneten die diensteifrigen Beamten eine Untersuchung an.

Im laufe der Ermittlungen wurde es von den herzoglichen Beamten „...für nöthig befunden, und gnädigst verordnet, daß ihr Schultz Johann Bahde aus Calitz im Beyseyn des Amtmanns Seitzen zu Dömitz dieses Vorgangs wegen, eidlich abgehöret werden solte.“

Nach Ablegen des „abgeschworenen Eides ... auf Gott und sein heiliges Wort“ hatte der Calitzer Dorfschulze auf drei Fragen des Amtmann Seitzen Auskunft zu geben.

Auf die Frage, ob er wisse, daß im Dorf Calitz Pferde ausgesucht und gekennzeichnet worden waren, antwortete Bade: „Ja, das wäre am Freytag voriger Woche geschehen, und zwar durch den Pracher-Voigt (prachern = betteln, großtun, geizen; R.R.) oder Destrict-Reüter aus dem Grabowschen Amt, der Gestalt, daß derselbe auf die Bauernhöfe gegangen, von jedem Bauern ein Pferd genommen und solches auf dem rechten Vorderblat mit einem L. ausgeschoren.“

Desweiteren gab der Calitzer Dorfschulze zu Protokoll: „Es wäre ihnen befohlen, daß jedes Pferd bis auf weitere Ordre im Dorf bleiben, begehrten falls aber bey vier Pferden ein Mann seyn solle, um solche erforderten orts zu liefern.

Der Dorfschulze Bahde gab auf Anfrage schließlich noch an, daß diese „Ordre“ in beiden Dorfhälften bekannt gemacht worden sei. Nach Beendigung des Verhörs, das der „Regirungs-Secretarius“ Ditmann zu Protokoll genommen hatte, bekam Bahde dieses vorgelesen und mußte die Richtigkeit der Niederschrift bestätigen. Dann wurde er entlassen.

 

Anekdote um eine Präsidententochter, Rolf Roßmann

 

Zu DDR-Zeiten war das „Westfernsehen“ staatlicherseits zwar geächtet, doch dort, wo der Empfang möglich war, kümmerten sich die wenigsten um diese Sorge von Partei und Regierung. So waren in den Einzugsgebieten von ARD und ZDF die Politiker der BRD oftmals besser bekannt, als die Minister und Politbüromitglieder der DDR. Das führte mitunter zu kuriosen Begebenheiten.

Im November 1968 weilte Elly Winter-Pieck, Tochter des ersten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, drei Tage in dem grenznahen Kreis Ludwigslust. Zu ihrem Programm gehörte am 26. November die Einweihung eines Gedenksteins in der Polytechnischen Oberschule „Wilhelm Pieck“ in Malliß. Weitere Stationen dieser kurzen Reise waren u.a. das Landbaukombinat in Ludwigslust und auch die Feinpapierfabrik in Neu Kaliß.

Zwischen der Gedenksteinenthüllung und dem dortigen Belegschaftsmeeting lag noch ein unverplanter Nachmittag. Elly Winter-Pieck stimmte zu, die Zeit für eine Dorfrundfahrt zu nutzen. Sicher würde man irgendwo in der Großgemeinde eine Gaststätte aufsuchen, um Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen.

Aber gerade die Umsetzung dieses profanen Vorhabens erwies sich als nicht realisierbar. In den gemeindeangehörigen Dörfern Neu Kaliß und Heiddorf waren alle Gaststätten geschlossen. Auch der Weg nach Alt Kaliß war umsonst - überall Ruhetag oder Urlaub. Selbst im benachbarten Raddenfort kam sie an verschlossene Türen. Elly Winter-Pieck und ihre Begleitung waren enttäuscht und ratlos schweiften ihre Blicke von der Gaststätte aus über die umliegenden Höfe.

Auf einem der Nachbargrundstücke war ein älteres Ehepaar mit der Gartenarbeit beschäftigt. Natürlich hatten diese die illustre Gesellschaft schon seit deren Eintreffen beobachtet. Die alte Frau kam an den Gartenzaun und rief den Fremden zu: „Dat Gasthus het hüt tau.“

Auch Elly Winter-Pieck ging auf die Alte zu. Freundlich erzählte sie kurz von ihren erfolglosen Versuchen, in der Gemeinde eine geöffnete Gastwirtschaft zu finden. Die alte Frau schlug ohne Zaudern vor: „ Kauken heww ick nich tau Hus, äwer een Tass Kaffee kann ick för juch kaken. Kumm` sei man müt in`t Hus.“

Die kleine Gruppe war von der Freundlichkeit der Frau überrascht und sie nahmen die unerwartete Einladung gerne an. Beim Hineingehen rief die Frau ihrem Mann noch zu: „Korl, in tein Minuten is de Kaffe dörch, jöch dei Geus noch in dat Gatter!“

Die alte Frau fragte nun nach Herkunft und Anlaß der Reise. Nach Raddenfort, einem kleinen Ort in der Griesen Gegend, abgelegen von den großen Landstraßen, verirrte sich nämlich selten ein Fremder. Elly Winter-Pieck erzählte, daß in der Schule in Malliß heute zu Ehren des ersten Präsidenten der Republik ein Gedenkstein enthüllt worden war und sie, als dessen Tochter, dort eine Rede gehalten hätte. Die alte Frau riß Mund und Augen auf. Das war ja wohl eine große Ehre - eine leibhaftige Präsidententochter! Sie mußte sich erst besinnen.

Dann band die Alte ihre Schürze ab und huschte zur Haustür. Aus der Tür heraus rief sie in einiger Aufregung ihrem Mann zu: „Korl, Korl, kumm fix in`t Hus, wie hemm` prominenten Besäuk. De Dochte von den ollen Präsidenten Adenaue is dor.“

 

Der lange Tischler, Rolf Roßmann

 

Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) behandelten die Preußen Mecklenburg wie einen Mehlsack. Sie klopften weidlich darauf herum und holten alles heraus, was ihnen wertvoll erschien. Die Redensart „Schwarz ist der Teufel, weiß ist der Tod - Schwarzweiß ist preußisch, davor behüt uns Gott!“ kannte damals jedes Kind. Wie auch andere Grenzgebiete hatte besonders die Griese Gegend (Südwestmecklenburg) unter den zahlreichen Einfällen der preußischen Soldaten zu leiden. Immer wieder tauchten Dragoner und Husaren urplötzlich in den Dörfern auf und requirierten mitleidlos, was ihnen in die Hände fiel. Waren dem großen Friedrich die Soldaten wieder einmal knapp geworden, schickte er seine „Werber“ auch in die Griese Gegend. Die jungen Burschen und Männer der Heidedörfer verbargen sich dann in den umliegenden Wäldern und Brüchen. Dennoch fielen nicht wenige in die Hände der preußischen Häscher. Eine kleine Geschichte aus dieser Zeit verdanken wir den unveröffentlichten Aufzeichnungen des ehemaligen Alt-Jabeler Lehrers und Kantors Wilhelm Burmeister (1878-1963).

Während der auch als Preußenzeit bekannten Kriegsjahre hatten sich die Werber des Soldatenkönigs einen Tischler aus Tewswoos aufs Korn genommen. Dieser war von stattlicher Größe, und man wollte ihn wohl für die Potsdamer Riesengarde werben. Zunächst versuchten die Preußen den Schäfer mit Geld einzukaufen. Da dieser sich aber als nicht käuflich erwies, ersannen die scheinbar friedlich gekommenen Werber eine List.

Eines Tages erschien ein Mann, der angab, aus dem unweit gelegenen Kaliß zu kommen und der bei dem Tischler für seinen verstorbenen Bruder einen Sarg bestellte. Derselbe sollte aber ziemlich groß sein, denn der Tote soll etwa dieselbe Länge wie der Tischler gehabt haben. Um bei diesem kein Mißtrauen aufkommen zu lassen, bezahlte der „Kalißer“ den Sarg sofort. Auf zwei Tage später wurde die Abholung vereinbart. Der lange Tischler argwöhnte nichts Böses. Er machte sich sogleich an die Arbeit, und um die verabredete Zeit war der Sarg fertig. Der „Mann aus Kaliß“ nebst seinem Begleiter kamen am frühen Abend, begutachteten den Sarg und behaupteten schließlich, daß das Möbel doch wohl zu kurz geraten wäre. Das wollte der Tischler nicht gelten lassen, da er den Sarg ja nach seiner eigenen Größe angefertigt hatte. So forderten die Abholer, daß er sich zum Beweis schon selbst in den Sarg hineinlegen müsse. Sobald aber der Tischler sich in diesem ausgestreckt hatte, schlugen die beiden Fremden den Deckel zu, hoben den Sarg mit dem darin liegenden Mann auf den bereitstehenden Wagen und jagten in der Dunkelheit davon. Die Tischlerfrau, die erst spät nach Hause kam, suchte ihren Mann vergebens. Auch von den Nachbarn hatte niemand etwas verdächtiges bemerkt.

Am anderen Morgen fand man in den nahen Heidhofer Tannen den alten Wagen mit dem Sarg, worin der tote Tischler lag. Zunächst konnte man sich diese Umstände nicht erklären. Erst nach geraumer Zeit sickerte das Gerücht durch, daß preußische Werber diese Finte angewandt hätten, um sich des langen Tischlers zu bemächtigen. Der Sargdeckel war wohl zu fest verschlossen gewesen, und dem Entführten so jede Luftzufuhr abgeschnitten. Der Arme muß jämmerlich erstickt sein.

 

Wat? Du wist Schaulliehrer sein…?, Alice Klatt (meine Großmutter)

 

Die Schaul wier all’ne halwig Stund’ ingang’n, dunn keim Jehann in die Klass tau poltern.

„Johannes, wo kommst du jetzt erst her?“,  fröggt dei Liehrer em. „Ich? Ich hab Essen nachgetragen zum Borenkolk, Herr Lehrer.“

„Was ist das – Borenkolk, wo liegt das?“

Geiw dat ein Wunnerwarken oewer den’n Liehrer in die Klass! Jehannen blew de Mund apen stahn, ganz rot wör sei utseihn, un dör bölkt hei los: „Wat? Du wist Schaulliehrer sein un weißt nich wo die Borenkolk ist?“

 

Dei Spök von ’n Wischengang, Hans Heinrich Klatt (mein Onkel)

 

In Ellna hett dat früher spökt. Bi den Wischengang süll sick nachts twüschen twölf un ein ümmer ein Schaap rümmedrieven. Wöck Lüer harrn dat all seihn un wiern uthakt.

Nu keem mal eins’n Schipper spät abends von sienen Kahn, Hei wier grar bi den Wischengang, dor slög dat twölf von’n Turm. „Hier sall ’t doch spöken“, dacht hei. Aewer hei wier nich bang un sädt so bi sick: „Sall die Spök man kamen!“ Dat durte nich lang, dor keem dor ok wat antautrappen. Un richtig, dar wier’n Schaap! Die Schipper kreeg’n Band ut dei Tasch, bünn dat Schaap an un treckte dormit los. Tau Hus spunnte hei dat in’n Stall. „So“,  dacht hei, „is morgen dor kein Schaap in, denn wiert’n Spök; is dor aewer ein in, denn wier’t kein Spök.“

Annern Morgen güng hei all tierig na’n Stall. Dunn stünn dat Schaap dor noch treu un brav in! Dat wier’n ollen Buck, dei wier den Abend vörher nich inkamen un harr sick freut bi den Wischengang ’n bäten minschliche Gesellschaft tau finnen, as die Schipperdor ankeem. As die Lüer tau hüren kreegen, hett nahst keiner miehr an den Spök von’n Wischengang glöwt.

 

Gütertransport auf der Elde, Hans-Ulrich Thee

 

Was transportierten die Eldenaer Schiffer mit ihren Kähnen? Getreide aus Schwerin, Parchim, Plau und Lübz. Kartoffeln aus Grabow, Parchim, Garwitz, Siggelkow, Holz aus der Lewitz zum Räuchern nach Lübeck-Schlutup. Rohrzucker von Lübz nach Tangermünde. Salpeter für die Dynamitfabrik in Dömitz.

Briketts aus der Lausitz. Die Briketts wurden per Bahn bis Königswusterhausen gebracht. Hier stapelten Frauen die Kohle in Eldekähne um. Dabei nahmen sie 20 bis 25 nebeneinanderliegende große Briketts auf einmal, vor der Brust balancierend, in die Hände und legten sie auf die Rutsche. Diese Menge in die Hände zu nehmen, war eine Kunst für sich und hätte jedem Jongleur Ehre gemacht. Dabei kam es darauf an, daß keine Kohle zerbrach. Dann gab es Abzug vom Lohn. Unten im Kahn nahmen wieder andere Frauen die Briketts ab und stapelten sie im Schiff auf. Bis 150 Tonnen Kohle konnten die Eldekähne fassen. Eine wahre Schwerstarbeit für die Frauen! Dabei waren die Löhne äußerst gering. Andere Güter waren Guano (ammoniakhaltiger Naturdünger der Vogelkotablagerungen aus Chile), Gerbstoffe und Rohfelle aus den USA für Neustadt-Glewe. Alle letztgenannten Frachten wurden im Hamburger Hafen umgeschlagen und nach Mecklenburg weitertransportiert.

(Schweriner Volkszeitung, 07.03. 1979)

 

Als noch getreidelt wurde, Hans-Ulrich Thee

 

In früherer Zeit, als es noch keine Motorkraft gab, wurden die Eldekähne flußaufwärts, besonders bei Windstille, getreidelt. Von Dömitz bis Parchim war im allgemeinen die Treidelstrecke. Die Treidler wussten genau, wann zum Beispiel Schiffe aus Richtung Hamburg in Dömitz anlegten. Sie kamen zu Fuß bereits zwischen 6 und 7 Uhr Morgens in Dömitz an. Vielfach waren es Eldenaer Büdner. Wenn sich aus irgendwelchen Gründen die Hamburger Schiffe verspätet hatten, gingen die Eldenaer Büdner unverrichteter Dinge wieder zu Fuß zurück, um von Mittag an in der eigenen Wirtschaft arbeiten zu können. Gab es aber Arbeit in Dömitz, so legten sich die Treidler in die „Riemen“,  um im Schweißen ihres Angesichts die schwere Last flußaufwärts zu ziehen. Getreidelt wurde auch mit Pferden. Jedoch war dies teurer. So griff man meistens auf die Menschenkraft zurück.

Auf den alten Kähnen mußte bei Durchfahrt unter festen Brücken, so bei der Eisenbahnbrücke in Maliß und der Rehberger Brücke in Grabow, der Mastbaum niedergeholt werden. Bei den sogenannten Kaffee-Kähnen konnte der Mast nicht ohne fremde Hilfe gelegt werden. Deshalb war flußaufwärts und –abwärts an der Brücke je ein Kran, der den Mast senkte und nach der Durchfahrt wieder hob. Die jetzige Eldebrücke in Eldena stammt aus dem Jahre 1927. Sie löste die hölzerne Ziehbrücke aus dem Jahre 1902 ab. (Davor - seit 1861 - bestand hier ebenfalls eine Holzbrücke.)

(Schweriner Volkszeitung, 10.05. 1979)

 

Zum Namen Grise Gegend, Hans Heinrich Klatt

 

Schon einmal – im Heft 4, Jahrgang 1957 – wurde in diesen Blättern dem Landschaftsnamen Grise Gegend eine Untersuchung gewidmet: K.H. Busse „Was der Griesen Gegend den Namen gab“. Der Verfasser bekannte sich darin – gestützt auf K. von Bülows „Abriß der Geologie von Mecklenburg“ (1952) zu der auch von anderen Geologen früher vertretenen Ansicht, der Name Grise Gegend sei dem Landstrich zwischen Sude und Elde, der so bezeichnet wird, wegen der grauen (grisen) Farbe der oberen Bodenschicht gegeben worden. So schrieb z.B. Eugen Geinitz in seiner „Geologie von Mecklenburg“ (1922): „Der weit verbreitete Heidesand ist oberflächlich durch die Beimischungen grau gefärbt, daher die Bezeichnung ‚grise Gegend’.“. Die Quelle dieses Wissens gab Geinitz nicht an.

Will man sich etwas eingehender mit dem Namen Grise Gegend beschäftigen, so erscheint es zunächst unumgänglich festzustellen, wann er entstanden ist oder – da das sehr schwer, wenn nicht unmöglich ist – zumindest, wann er zuerst in der Literatur auftaucht. Hierfür hätte es einer Durchsicht der gesamten landeskundlichen Literatur über Mecklenburg bedurft. Wegen der Vielzahl der diesbezüglichen Werke beschränke ich mich auf einige besonders einschlägige. Deshalb muss im Folgenden auch die Frage nach der ersten Nennung in der Literatur offen bleiben.

Bemerkenswert ist jedoch, dass Geinitz in seiner 1885 erschienenen Arbeit „Der Boden Mecklenburg“ (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. 1) den Namen Grise Gegend nicht anführt. Er spricht darin von der „Heideebene“, namentlich zwischen Hagenow und Ludwigslust: „Der Boden ist der feine, gelbliche oder weiße, mahlende Sand…“. Man beachte die Farbbezeichnungen. Ebenso kommt der Name in zwei späteren Arbeiten von Geinitz nicht vor: „Die mecklenburgischen Höhenrücken“ (1886, mit einem Abschnitt über „Die südwestliche Heide“), „Geologischer Führer durch Mecklenburg“ (1899). Desgleichen wird der Name in zwei Untersuchungen speziell über die Geologie Südwestmecklenburgs nicht erwähnt: F.E. Koch „Das südwestliche Mecklenburg. Ein Beitrag zur Charakteristik der Haide-Ebene, mit specieller Rücksicht auf die Bodenerzeugnisse und das industrielle Leben derselben“ (Archiv für Landeskunde in den Großherzogtümern Mecklenburg 5 [1885]), Paul Sabban (aus Ludwigslust) „Die Dünen der südwestlichen Heide Mecklenburgs und über die mineralogische Zusammensetzung diluvialer und alluvialer Sande“, Dissertation, Rostock 1897.

Mit einiger Sicherheit – wie ich meine – ist hieraus zu schließen, dass der Name Grise Gegend zu dieser Zeit nicht in Verbindung gebracht wurde mit der grisen Farbe des Bodens. Besonders der Ludwigsluster Sabban hätte den Namen wohl erwähnt, wäre er ihm in dieser Bedeutung bekannt gewesen, zumal er an einer Stelle darauf hinweist, dass man „in den Thalniederungen…im wesentlichen den grauen…Heidesand“ findet und auch sonst zahlreiche Flurnamen anführt.

Im Jahre 1914 veröffentlichte dann J. Becker eine Bröschüre „Aus de ‚grise Gegend’ von Mecklenburg-Schwerin“, einen Bericht über Düngungsversuche, die er auf den Feldmarken Boek und Groß Laasch durchgeführt hatte. Auch Becker bezog den Namen nicht auf die grise Farbe des Bodens. Das konnte er auch nicht; denn er fand, das „Sandfeld“ sei „meistens durch Heidehumus schwärzlich“(!) gefärbt.

Weitere Zitate ähnlicher Art aus den hier genannten und anderen Werken, die nicht auf einen Nenner zu bringen sind, wollen wir uns ersparen. Sie ließen sich beliebig vermehren. Will man ganz gerecht sein, so kann man vermuten (klar ausgedrückt wird es nirgends) dass, wenn von der grauen Farbe des Bodens in den hier erwähnten Arbeiten die Rede ist, im allgemeinen wohl die Äcker, wenn dagegen von der gelblichen oder weißlichen Farbe gesprochen wird, unkultivierte Landstriche, Wege usw. gemeint sind. Becker meint mit seinem „schwärzlichen Sandfeld“ allerdings eindeutig den Acker. So kann man mit einigem Recht annehmen, dass die Behauptung, der Name Grise Gegend rühre von der grisen Farbe des Bodens her, nur auf „mahlendem Sandboden“ steht, infolgedessen anzuzweifeln ist.

Versucht man nun, den Namen Grise Gegend vom sprachlichen her näher zukommen, so fällt zunächst – ganz naiv gesehen – die verschiedene Schreibung auf. Ich fand in der Literatur bisher folgende Schreibungen: gris(e) Gegend, gries(e) Gegend, grieße (!) Gegend, gr. Jeigend. In allen Fällen handelte es sich eindeutig um ein Adjektiv und ein Substantiv. Damit ist schon alles klar:

So passgerecht und das ß in Grieße Gegend (ich fand übrigens diese Schreibung nur einmal an unbedeutsamer Stelle) ist, so wenig ist an Grieß „Sand, Kies, Sandfläche“ zu denken; das entsprechende und hier zu erwartende Adjektiv müsste grieß(e)lich oder grießig heißen, welches in der Bedeutung sandig zudem vorwiegend in oberdeutschen Mundarten vorkommt. Mir sind niederdeutsche Mundarten jedenfalls nicht bekannt. [J. u. W. Grimm führen in ihrem „Deutschen Wörterbuch“ an: gegend der leichten, sandigen bodenarten, sandige äcker.] Zu denken, ursprünglich habe der Name Grise Gegend etwa Grieß-Gegend, also Sand-Gegend gelautet, wäre bei der Dürftigkeit des vorliegenden Materials reine Spekulation. Das „Mecklenburgische Wörterbuch“ führt Grieß = Sand nicht an; desgleichen bringen die niederdeutschen Wörterbücher des 18. Jahrhunderts (Dänert; „Versuch eines bremisch-niedersächsischen Wörterbuchs“) und des 19. Jahrhunderts (Danneil) keine Belege für das Wort, das im Mittelniederdeutschen noch vorkommt. Man müsste also sehr frühe Entstehung des Namens annehmen oder Bildung durch Fremde. Beides ist aus vielen Gründen unwahrscheinlich. Bemerkt werden muss, dass Grieß = Sand früher auch Gries geschrieben wurde, erklärlich durch das Schwanken der ß-Schreibung. Die oben angeführten Belege stammen alle aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Wenn wir darunter auch die Schreibung Gries Gegend (ohne den zu erwartenden Apostroph) finden, liegt hier dennoch eindeutig ‚grau’ vor. Die Schreibung Griese Gegend ist überhaupt nicht korrekt; ursprünglich ist der Monophtong, das e ist nur Dehnungs-e. Am Rande sei bemerkt, das gris = gries, grau und Grieß = Sand zwei verschiedene Stämme haben, also auch zwei verschiedene Wörter sind. Will man nicht in haltlose Spekulationen verfallen, so kann man aus dem vorliegenden Material nur entnehmen, dass Grise Gegend eindeutig Graue Gegend bedeutet. Daran werden wir auch nicht irre, wenn wir bei Rehm (s.u.) lesen: „…gries’Gegend…bedüdt soväl as Sandgegend“. (Gerade er bringt eine einleuchtendere Erklärung des Namens.)

Befassen wir uns nun mit der landeskundlichen Literatur speziell über die Grise Gegend, so stellen wir verwundert fest, dass bedeutende Kenner den Namen nicht erklärten und sich auch nicht der oben erwähnten Deutung (Grise Gegend von der grisen Farbe des Bodens) anschlossen: J.U. Folkers „Das echteste Mecklenburg“, 1926; A. Reuter „Griese Gegend“, 1926; J. Gillhoff „Land und Leute der Griesen Gegend“, 1927; E. Schlüter „Das echteste Mecklenburg“, 1933 (alle in den Mecklenburger Monatsheften). Die Verfasser waren wohl alle sehr vorsichtige Männer. Sie machten sich nämlich auch die Ansicht von Friedrich Rehm, die wir jetzt erläutern wollen, nicht zu eigen.

Friedrich Rehm trat in zwei (plattdeutschen) Aufsätzen der Meinung entgegen, der Name Grise Gegend komme von der grisen Farbe des Bodens her: „Gries’ Gegend“ (Uns’ plattdütsch Heimat 1 [1925], „Die Griesen“ (Ostmecklenburgische Heimat 4, 2 [1931])). Die Ausführungen in beiden Arbeiten stimmen diesbezüglich überein; ich zitiere aus der zuerst genannten arbeit: „Ick glöw, tau den Nam’ Gries’ Gegend hett nich die Sand, ne, dor heben woll Mannslüd un Schap Gevadder stahn.“ Rehm führte aus: Die Verhältnisse in der Grisen  Gegend waren „bet vör ’n soebentig Johr“ – also etwa bis 1860/70 – andere als heute (1925). Damals gab es hier keine großen Höfe. Die wenige anfallende Arbeit war von den Männern bald getan. Deshalb zogen aus den großen, völkerreichen Dörfern „ganze Kolonnen“ in die besseren Gegenden Mecklenburgs, um auf den großen Bauernstellen und Gütern bei der Ernte  zu helfen und sich so einen Nebenverdienst zu verschaffen. Diese Erntehelfer waren alle einheitlich gekleidet; sie trugen graues (grises) Zeug, dessen Herstellung und Art Rehm so beschrieb: „…tau dit Tüg för dei Mannslüd würd flessen orre heiden Goorn uptreckt un ungefarwte gries’ Wull inslagen. Dat Tüg heit Vier- orre Fiewkamm un wier bannig tag…Vier- un Fiewkamm leit sick…nich recht farwen.“ Durch diese Kleidung unterschieden sie sich von den Bewohnern der Gegenden, in denen sie Arbeit suchten. So war z.B. die Biestower Tracht schwarz, woanders galt blaue Tracht. Kamen die Bewohner der Grisen Gegend nach der Ernte in ihre Heimatdörfer zurück, so sagten sie, sie wären bei den „Swarten“ oder den „Balgen“ gewesen. Sie dagegen wurden von diesen wegen ihrer einheitlich grisen Arbeitskleidung die Grisen genannt. Da die Grisen alle aus einer Gegend kamen, erhielt sie den Namen Grise Gegend. Später, so führte Rehm weiter aus, wurde die grise Arbeitskleidung nicht mehr getragen. Außerdem wurden die Arbeitsleute aus der Grisen Gegend durch fremdländische Schnitter und Mähmaschinen verdrängt. Dadurch geriet die Bezeichnung Grise Gegend in Vergessenheit; sie wurde nun „up land un Sand“ bezogen.

Der hier wiedergegebenen Ansicht von Rehm schloss sich teilweise – unter Bezugnahme auf dessen Aufsatz in der „Ostmecklenburgischen Heimat“ – der Bearbeiter des Artikels „gris“ im „Mecklenburgischen Wörterbuch“ (21. Lfg. III,3) an: „die Grisen auch die Bewohner der Grisen Gegend, Der Sandgegend in Lu, die graues, eigengemachtes Zeug trugen, in der Ernte in anderen Teilen unseres Landes als Hilfsarbeiter tätig waren und dort durch ihre Kleidung von der sonst üblichen Erntetracht abstachen.“ Wenn wir nämlich recht lesen, so sehen wir zwar, dass die Grisen nach der grisen Erntetracht so genannt wurden, nicht aber, dass nach den Grisen die Grise Gegend ihren Namen bekam, obgleich Rehm in dem angezogenen Aufsatz ausdrücklich schrieb:“…un weil sei all ut deisülwig Gegend in ehr griese Kledagen keimen, mirden mang dei witbücksten Ohrnlüd, hett die Heimatgegend den’n Namen Gries Gegend krägen.“ So können wir dem „Mecklenburgischen Wörterbuch“ nicht eindeutig – glaube ich – entnehmen, dass die Grise Gegend ihren Namen nach den Grisen (den Trägern der grisen Arbeitskleidung) erhielt.

Fassen wir kurz zusammen: Die Herleitung des Namens Grise Gegend von der grisen Farbe des Bodens ist – soweit ich sehe – nicht bewiesen; vieles spricht dagegen. Sprachliche Betrachtungen ergaben: Grise Gegend eindeutig = Graue Gegend. Herleitung aus Grieß = Sand ist bei dem gegebenen sprachlichen Material (wegen der wohl jungen Bildung des Namens) falsch. Die Erklärung von Rehm dagegen ist wahrscheinlich richtig. Wir dürfen die vorsichtige Formulierung im „Mecklenburgischen Wörterbuch“ allerdings nicht vergessen! Es ist jedoch einleuchtend, dass die Bewohner unseres Landstriches wegen ihrer grisen Arbeitstracht in anderen teilen Mecklenburgs die Grisen genannt wurden und durchaus nicht unmöglich, dass nach den Grisen die Gegend, aus der sie kamen, den Namen Grise Gegend erhielt. Mindestens darf man künftig, wenn man über den Landschaftsnamen Grise Gegend spricht, nicht mehr an der Erklärung Rehms vorbeigehen. Den Lesern von „Land und Leute“ diese Erklärung mitzuteilen, ist der alleinige Zweck dieses Beitrags.

(„Land und Leute“, 1959/3)

 

Das erste Veloziped in Ludwigslust, Hans Heinrich Klatt

 

Am 15. März 1818 verfasste der Landrat Jaspar von Oertzen auf Roggow ein Begleitschreiben zu einem „unbedeutenden, kleinen Angebinde“, mit dem er dem Großherzog Friedrich Franz I. in Ludwigslust „unterthänigst aufwartete“. Das kleine Angebinde, welches v. Oertzen dem Großherzog sandte, war ein Drais’sches Fahrrad, ein Laufrad, wie der Erfinder, der Fortmeister Drais, selbst es nannte. Diese Erfindung beruhte „auf der Idee, dass der Reiter sich mit den Fußspitzen rechts und links abwechselnd abstoßen und dadurch den Rädern ihre Geschwindigkeit mittheilen musste.“, wie der Archivrat Grotefend 1891 anlässlich der Mitteilung des betr. Briefes in den „Jahrbüchern des Vereins f. meckl. Geschichte und Altertumskunde“ schrieb. Ob dieses Laufrad in Ludwigslust jemals benutzt wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise haben die „schlimmen Stellen“ auf den Straßen, die sich in „unserem Vaterland leider vielfach finden“, das verhindert. Unter Hinweis auf diese „schlimmen Stellen“ hatte der Landrat dem Großherzog eine Art Gebrauchsanweisung gegeben, nämlich den Rat, den Laufwagen, wie er sein „Angebinde“ auch nannte, auf sandigen Strecken „an der Hand seitwärts zu nehmen und ihn neben sich fortzuschieben“. Tröstlich muss es immerhin gewesen sein, dass, wenn man nur den geraden Gang der Räder erhalten hatte, der Lauf immer besser ging, besonders bergab!

Wenn wir heute auch ruhig über diese uns ulkig erscheinende „Gebrauchsanweisung“ lachen dürfen, so doch nicht über die Erfindung selbst, die bekanntlich eine Vorstufe unseres Fahrrades ist.

Außerdem dürfte für Heimatkundler die Tatsache von Interesse sein, dass sich bereits 1818 ein Laufrad in Ludwigslust (Grotefend hält es für das erste in Mecklenburg) befunden hat.

1817 hatte Drais in Mannheim mit seinem Laufrad Aufsehen erregt. Auf der Weltausstellung 1818 in Paris zeigte er es dann der „Welt“. Und wenn nun noch etwas Humor erlaubt ist: Von dem Vorhandensein des Laufrades in Ludwigslust zu dieser Zeit muss Bismarck nichts gewusst haben. Wie hätte er sonst sagen können, dass die Welt in Mecklenburg 50 Jahre später untergehen würde, falls sie untergehen sollte? Hierin waren wir – wenigstens einmal – nicht 50 Jahre hinter der Welt zurück. Könnte das für bescheidene Gemüter nicht ein Trost sein?

(„Land und Leute“, 1959/2)

 

Als die Elde zum ersten Male erwähnt wurde, Hans-Ulrich Thee

 

Die Festwoche zur 750-Jahrfeier der Gemeinde Eldena dauert vom Sonntag, dem 24. Juni, bis Sonntag dem 1. Juli 1979. Während der Festwoche ist es genau 1193 Jahre her, dass der Name des Flusses „Elde“ urkundlich erwähnt wird. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte der Name häufig. So im Jahre 786 Elda, 946 Eldia, 1167 Eldena, 143 Eldene, 1344 Elde, 1552 Eltena.

Die Urkunden sind sämtlich in lateinischer Sprache verfasst. Da die Texte sehr umfangreich sind, wurden von mir lediglich die Stellen herausgesucht, die von der Elde handeln. Karl der Große, seit 768 König von Franken, 800 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt, ließ die folgende Urkunde schreiben. (Sämtliche Übersetzungen vom Verfasser.)

 

29. Juni 786 Mainz

Karl, König der Franken, stiftet das Bistum Verden

.., ubi Pene Fluvius currit in Mare Barbarum, inde in ortum eiusdem fluminis, hinc in Eldam, dehinc in Albiam, inde in rivum Beese,…

(wo die Peene in die Ostsee fließt, von da zur Quelle des gleichen Flusses, von hier aus zur Elde, von dort zur Elbe, von dort zur Alend (Fluss bei Schnackenburg, Verf.), von dort zur Beese…

 

60 Jahre später erfolgte die zweite Erwähnung durch den deutschen König Otto I., 962 in Rom zum Kaiser gekrönt.

 

9. Mai 946 Magdeburg

Otto, deutscher König, stellt dem Bistum Havelberg den Stiftungs- und Bewidmungsbrief aus.

…, qui dicitur Pene, ad orientem, ubi idem fluvius intrat mare; ab ortu vero fluminis, quod dicitur Eldia, ad occidentem, ubi idem flumen influit in Albiam, ab aquilone mare…

(die Peene genannt wird zum Osten, dort, wo der Fluss ins Meer mündet, von der Quelle aber des Flusses Elde vom Westen, wo der gleiche Fluss in die Elbe fließt, vom Nordmeer…)

 

1167 Lüneburg

Heinrich, Herzog von Sachsen und Baiern, bestimmt die Grenzen des Bistums Ratzeburg

…, et sic directe usque in Eldenam, ubi terra Zwerin et Wanzeburch inter se terminos faciunt et sic per decursum Eldena in Albim, usque Bilna Albim influat…

(und in gerader Richtung bis zur Elde, wo das Land Schwerin und Wanzeberg die Grenzen unter sich festlegen, und so zum Zufluss der Elde in die Elbe, von dort, wo die Bilna in die Elbe mündet…)

 

27. Januar 1303 Lübeck

…inter Albiam et Eyderam, Eldena(m) et salsum mare…

((der Stadt Lübeck auf vier Jahre mit 100 Rossen zu dienen) zwischen der Elbe, Eider und Elde und dem Salzmeer…)

 

Da die älteste urkundliche Erwähnung des Namens „Elde“ aus dem Jahr 786 stammt, muss der Name in Wirklichkeit noch bedeutend älter sein.

(Schweriner Volkszeitung, 06.01. 1979)

 

1985 begeht Grebs das 700jährige Jubiläum, Hans-Ulrich Thee

 

Die Gemeinde Grebs im Kreis Ludwigslust wird vom 10. bis 14. Juli 1985 ihr 700jähriges Bestehen feiern. Ein in Grabow beurkundetes Dokument in lateinischer Sprache aus dem Jahr 1285 mit der Ersterwähnung Grebece ist die Geburtsurkunde des Ortes. Das Dorf Grebs mit all seinen Bewohnern war damals das Eigentum des Klosters Eldena. Die nachstehenden Zeilen sind ein Vorabdruck aus der in Vorbereitung befindlichen rund 100 Druckseiten umfassenden neuen Broschüre des Autors.

Dem Türkensteuerregister verdanken wir sämtliche Namen der damals ansässigen Bauern aller 14 ehemaligen Klosterdörfer: Eldena, Grebs, Karenz, Malk, Conow, Malliß, Bockup, Probst Woos, Stuck, Grittel, Liepe, Bresegard, Glaisin und Krohn. Noch sieben weitere zum Kloster gehörige Dörfer zwischen den Ruhner Bergen und dem Parchimer Sonnenberg wurden vom Amt Eldena miterfasst, u.a. Stresendorf, Herzfeld, Wulfsahl und Ziegendorf. Fein säuberlich sind sämtliche Einwohnernamen der genannten Dörfer enthalten.

Die Türkensteuer war eine vom deutschen Kaiser (Haus Habsburg in Wien) zur Mitfinanzierung der Türkenkriege erfasste Reichssteuer. Die Türken hatten 1453 Konstantinopel erobert, drangen weiter auf dem Balkan vor und belagerten 1529 und 1683 erfolglos Wien. Prinz Eugen, der kaiserliche Feldherr, konnte mit seinen Truppen die türkische Bedrohung schließlich bannen.

Aus dem Steuerregister des Amtes Eldena von 1558 geht hervor, dass es von dem Amtshauptmann Peter Helldorf aufgestellt wurde. In den einzelnen Dörfern werden die Steuerpflichtigen, die Gehöftsinhaber, der geschätzte Wert ihres Hofes und die geschuldeten Steuern aufgeführt. Die zu zahlenden Beträge sind in Gulden, Schilling und Pfennig angegeben. Das Amt Eldena brachte insgesamt 63 Gulden, 18 Schilling und 4 Pfennig auf.

Interessant ist, dass in fast allen Dörfern des genannten Registers noch heute Nachkommen der vor über 400 Jahren steuerpflichtigen Bauern im Dorfe selbst oder im näheren Umfeld wohnen. Im Jahre 1558 lebten in Grebs laut Liste 20 und in Karenz 17 Bauern. Alte Grebser Namen sind: KENKEL, PANDIKE (PANNEKE), RATKE, BUßACKER, SCHULTZE, MARCQUART. Aus Karenz sind überliefert: GEISTER, SCHRÖDER, WEGENER, PANDIKE, SCHER, REINIKE.

Die Steuerliste des Dorfes Eldena umfasst allein 32 Familiennamen, darunter JASTRAM, MEINEKE, BRÜNINGK, JANEKE, HANNE, FRANCKE, WARNEKE, BECKER, WIDOW, SCHULTZE, ROSEKE, WEGENER, BORCHERT, SANTBERGH, BREMER, HINTZE, BRUMMEKE.

Bei dem Grebser Achim Pandike steht vermerkt: „Sein gudt gerechnet uff 4 Gulden darum gibt er 9 Pfennig.“ Bei Pawel Geister aus Karenz lesen wir: „Sein gudt geschatzet uff 50 Gulden darum gibt ehr 6 Schilling.“

 

Der spukende Trommelschläger in dem unterirdischen Gange zwischen der Festung Dömitz und der hannoverschen Stadt Danneberg, G. F. C. Neumann zu Röbel (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

Etwa zwei Meilen von Dömitz, jenseits der Elbe, liegt das hannoversche Städtchen Danneberg, der Hauptort einer alten Grafschaft, die 1303 durch Kauf an Lüneburg kam. Zur Zeit nun, als den Grafen von Danneberg auch Dömitz gehörte, waren beide Festungen durch einen unterirdischen Gang, unter der Elbe hindurch, miteinander verbunden, dessen Zweck wol war, der Besatzung Hülfstruppen und Lebensmittel zuzuführen, wenn einmal die eine oder die andere Festung hartnäckig und lange belagert werden sollte.

Nur Wenige haben sich später durch diesen Gang begeben. Gewöhnlich war die Luft in demselben dumpf und unerträglich, und man sah sich alsbald genöthigt, den Rückweg anzutreten.

Der letzte Wanderer dieses Weges war ein Trommelschläger der dömitzer Besatzung, zur Zeit als Herzog Carl Leopold dort residirte, der wegen eines Vergehens gegen seinen Vorgesetzten in einen dumpfen Kerker geworfen wurde. Es gelang ihm, aus demselben zu entkommen; aber kaum war er am jenseitigen Ufer der Elbe angekommen, da packten ihn auch schon seine Verfolger. Er wurde zurückgebracht, in ein noch festeres Gewahrsam geworfen und endlich verurtheilt, sich, zur Strafe für sein Entlaufen, trommelnd durch den unterirdischen Gang nach Danneberg zu begeben. Wol bat er flehentlich, ihm doch diesen Gang zu erlassen, aber vergebens.

Zur festgesetzten Stunde trat der Trommelschläger im vollen Paradeanzuge, der auch zugleich sein Todtengewand werden sollte, den Marsch an. Wacker schritt er vorwärts, so daß seine Freunde, die ihn zu Kahn auf der Elbe und dann zu Fuß auf der Oberfläche der Erde begleiteten, kaum so schnell dem dumpfen Klange der Trommel folgen konnten.

Bald war die Hälfte des Weges zurückgelegt. Immer weiter ging es, man war nur noch eine halbe Stunde von Danneberg entfernt. Aber ach! als man den Soldaten schon für gerettet hielt und vor Freude jauchzte, da hielt er plötzlich zu trommeln inne und wurde nicht wieder gehört.

In Danneberg, wo es inzwischen bekannt geworden war, daß der Trommelschläger der Stadt schon auf eine halbe Stunde nahe sei, war Alles auf den Beinen, um ihn zu empfangen, aber er kam nicht. Es wurde Abend, es wurde Mitternacht, und noch immer kam er nicht; er ist auch nie angekommen.

 

Nach einer andern Sage hat der Trommelschläger Depeschen nach Danneberg bringen sollen. Man hat ihn noch bis eine halbe Stunde vor dem Orte trommeln hören, aber angekommen ist er dort nicht.

 

Nach dieser Zeit hat Niemand wieder diesen unterirdischen Gang zu betreten gewagt; der Trommelschläger ist der Letzte gewesen. Sein Geist soll noch heute in dem Gange herumwandeln und will man ihn zuweilen auch noch dort unten trommeln hören.

 

Der spukende Bürgermeister auf dem Mittelwerder bei Dömitz, L. Kreutzer (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

Vor vielen Jahren lebte in Dömitz ein Bürgermeister, der hatte ein Gesetz gegeben, daß jeder Bürger, dessen Haus ein Raub der Flammen würde, ohne Gnade erhängt werden solle.

Eines Sonntags, während der Bürgermeister in der Kirche ist, bereitet seine Köchin die gelieferten Ochsenzungen. Plötzlich ergreift das Feuer eine der Zungen, welche laut zischend in den Schornstein fährt und das Dach in Brand steckt.

Der Bürgermeister hört den Feuerruf, erfährt, daß derselbe seinem Hause gelte und begiebt sich, eingedenk seines eigenen Gesetzes, schleunigst auf die Flucht, verfolgt von dem wüthendden Pöbel. Obgleich der Bürgermeister der Wuth desselben glücklich entgeht, so trifft ihn unterweges doch ein Unfall, so daß er unglücklich ums Leben kommt.

Seit der Zeit trieb der Geist des Verstorbenen sein Unwesen im Rathhause und in einer Bürgerwohnung, bis zwei Bürger es wagten, ihn zu bannen. Sie lockten ihn mit Hülfe eines Pfannkuchens, auf welche Weise? wird nicht erzählt, in einen Sack und brachten ihn auf eine Elbinsel, den Mittelwerder. Unterwegs stellte der Geist sich gewaltig ungeberdig und die beiden Schiffer hatten ihre liebe Noth mit ihm. Wahrend der Eine ruderte, mußte der Andere mit einem tüchtigen Knittel auf den Geist im Sacke losschlagen, wobei jeder dritte Schlag so zurückprallte, daß er auf den Geber zurückfiel.

Jahrelang trieb der Geist sein Unwesen auf dem Mittelwerder. Seitdem aber, veranlaßt durch die Eindeichung der Elbe, der Mittelwerder alljährlich überschwemmt wird, ist er spurlos verschwunden. Wahrscheinlich ist der arme Geist ertrunken.

 

Die Dorfstelle bei Grabow (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

Unfern der Stadt Grabow befindet sich eine sumpfige Gegend, welche man allgemein die Dorfstelle nennt. Hier stand einstmals ein großes, blühendes Dorf. Da aber die Bewohner desselben zu schlecht und gottlos waren, so ließ der liebe Gott es spurlos von der Erde verschwinden.

Es war nämlich an einem Sonntag Vormittag. Als allenthalben gute und fromme Christen in die Kirchen gingen, um Gott den Höchsten zu verehren, schlenderten statt dessen die Bewohner dieses Dorfes nach ihren Schenken, um dort diese dem Dienste des Herrn gewidmete Zeit bei Bier und Branntewein, mit unzüchtigen Reden und Gotteslästerungen zu tödten. Nur zwei brave und gottesfürchtige Edeldamen, die ebenfalls in diesem Sodom wohnten, waren nach Grabow - wohin das Dorf eingepfarrt war - in die Kirche geeilt.

Ebenso wie diese Edeldamen allein nur die beiden wahren Christen ihres ganzen Dorfes waren, so waren sie auch an diesem Sonntage wieder nur die Einzigen aus demselben, die sich ins Gotteshaus begeben hatten.

Während nun also die beiden frommen Frauen in der Grabower Kirche weilten und Gott ihren Schöpfer priesen, die übrigen Mitbewohner ihres Dorfes aber daheim saßen und den Tag des Herrn aufs Gröblichste entweihten, geschah plötzlich ein gewaltiges Donnern und Krachen; die Erde öffnete sich und verschlang das ganze Dorf mit allen seinen gottlosen Einwohnern.

Nichts war von dem Dorfe übrig geblieben; kein Bewohner desselben, als nur die beiden einzigen Guten, die Edeldamen, waren dem allgemeinen Verderben entgangen.

An der Stelle des ehemaligen Dorfes entstand aber ein großer Sumpf, der zur Erinnerung hieran noch heute, wie schon gemeldet, den Namen die Dorfstelle oder „de Dörpstähr“ führt.

 

Die goldene Wiege im Kibitzberge bei Dömitz, L. Kreutzer (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

Eine gute halbe Stunde oberhalb Dömitz liegt an der Elbe der Kibitzberg. Er birgt, wie die Sage erzählt, in seinem Schooße die goldene Wiege eines Heidenfürstenkindes. Einst weideten Bauerknaben in seiner Gegend die Pferde ihrer Herren. Die Nacht war dunkel und die Mitternachtsstunde nahe. Da flimmte und flammte es auf dem Kibitzberge, und eine dunkle Gluth auf feinem Scheitel erhellte die nächste Umgegend. Die Knaben eilten neugierig nach dem Feuer, und einer derselben holte eine Kohle hervor, um sich die Pfeife anzuzünden. Wahrscheinlich war vom Abendthau der Taback feucht geworden, denn derselbe wollte nicht brennen und der Junge mußte die Pfeife unverrichteter Sache in die Tasche stecken. Am andern Morgen aber lag in der Pfeife statt der Kohle ein Goldstück.

Aufs Eifrigste wurde nun der Kibitzberg von Alt und Jung nach den kostbaren Kohlen durchstöbert; aber es fanden sich höchstens Kieselsteine, und nach denen war Keiner lüstern.

Einmal machten in einer Johannisnacht sich drei Bauern auf den Weg, um den Schatz zu heben, welcher auch um die Mitternachtsstunde glücklich zum Vorschein kam. Vor Beginn der Arbeit legten die Bauern sich gegenseitig das unverbrüchlichste Stillschweigen auf, da bekanntlich das geringste Wort die Zauberei unwirksam und den Schatz verschwinden macht.

Alles schien glücklich von Statten zu gehen. Da brauste ein Wagen heran, bespannt mit vier kohlschwarzen, schnaubenden Rossen. Neben den Schatzgräbern hielt das Fuhrwerk und zwei riesige Gestalten stiegen aus. Im Nu hatten sie einen Galgen errichtet. Mit der Gewandtheit eines Affen kletterte einer von diesen Kerlen auf den Querbalken des Galgens und ließ eine schwere eiserne Kette hinabrollen, welche der untenstehende Kamerad ergriff.

„Wer soll der Erste sein?“ brüllte dieser nach oben.

„Nimm nur den Rothharigen!“ war die Antwort.

„Ach, Herr, Kinne! mie nich, ick hess Fru und Kinne tau Hus!“ („Ach, Herr, Kinder! mich nicht, ich habe Frau und Kinder zu Hause“) schrie entsetzt der rothharige Schatzgräber. Ein Krach, ein Schlag - Todtenstille! Alles und auch der Schatz war verschwunden.

 

Wunderbare Erlebnisse eines Knechts aus Alt-Krenzlin bei Ludwigslust in einer Fastnachtsnacht, J.J.F. Giese / Strohkirchen (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

Es mag zu Anfang der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gewesen sein, als die jungen Leute in Alt-Krenzlin wieder, wie schon oft, ihr Fastnachtsbier hielten und lustiger und wilder denn je auf demselben lebten. Wer sich nicht voll soff, war kein Mann und verdiente nicht, mit den übrigen Knechten umzugehen; wer es aber allen Andern zuvor thun konnte, war gern gesehen und alle buhlten um seine Freundschaft. Ein solcher war Johann, der Großknecht des Hauswirths B. Er verstand sich nicht nur besser aufs Saufen denn Alle, die sonst noch da waren, sondern sein Maulwerk verstand auch besser mit Schimpf- und Fluchworten und mit unzüchtigen und garstigen Redensarten umzugehen, als das der Andern. Er war der Held des Tages; wenn Andere einen Schnaps tranken, mußte er zwei trinken. Also ging es fort bis an den zweiten Tag, Abends 10 Uhr, wo Alle mit Schrecken gewahr wurden, daß das Brannteweinsanker leer sei und daß nun die Sauferei aufhören müsse, da in Krenzlin keine Gastwirthschaft war und dort andere Leute dieses Getränk nicht feil hatten.

Johann mußte bestimmen, wie es weiter werden sollte; war er als Meister im Zechen zufrieden, so wolltens auch die Andern sein. Doch dieser wollte sich nicht geben, es müsse Branntewein sein, wenn man lustig leben wolle, weshalb sogleich zwei Knechte nach dem Klosterkrug in Picher sollten, um noch sechs Kannen vom „besten Ende“ zu holen. Von den anwesenden Knechten wollte aber keiner in der späten und dunklen Nacht den Tanzboden verlassen, um nach Picher zu laufen. Da mußte endlich Johann sich bequemen, wollte er anders das gewünschte Getränk haben, und zwei der übrigen Knechte begleiten. Um 12 Uhr konnten sie wieder heim sein.

Als sie ihrer Drei das Haus verließen, sprach Johann in seiner übermüthigen Weise: „Wenn nu dei Düvel Einen von uns hahlt, könn’n dei Twei doch seihn, wo hei mit em blifft!“ („Wenn nun der Teufel Einen von uns holt, können die Zwei doch sehen, wo er mit ihm bleibt!“). Diese Worte schienen ihm jedoch aufs Herz gefallen zu fein, denn wider seine Gewohnheit ging er hiernach ruhig neben seinen Kameraden dahin, bis sie in Picher anlangten. Im Klosterkrug lud jeder ein Lägel (kleines Tönnchen) mit zwei Kannen Branntewein auf seine Schulter, um alsobald den Heimweg wieder anzutreten. Johann that dasselbe. Wieder unterwegs blieb er aber nicht mehr bei seinen Gefährten, sondern ging etliche Schritte hinter ihnen her; bald trennte ihn ein größerer Raum von ihnen; endlich hörte er sie nicht mehr. Diese jedoch waren zurückgekommen, sich nach ihm umzusehen, da sein Benehmen ein sonderbares, gegen früher ein ganz anderes war. Auf ihr Befragen, Müdigkeit angebend, bat er, sich nicht nach ihm aufzuhalten. Allein jene, Alles für ihn fürchtend, beschlossen trotz seines Abwehrens bei ihm zu bleiben; waren sie ja doch schon über halb nach Hause. Nicht lange hatten sie gegangen, als Johann schon wieder hinter seinen Gefährten zurückblieb. So lange diese ihn noch sehen konnten, schritten sie ruhig vorwärts, als er aber ihren Augen entschwunden war und auf ihr Rufen keine Antwort erfolgte, kehrten sie aufs Neue um, ihn zu suchen. Diese Mühe war aber vergebens, denn so viel sie immer suchen und rufen mogten, Johann war und blieb verschwunden.

Betrübt kamen die Boten zurück zur Fastnachtsfeier, ihre traurige, Johann betreffende Mähre verkündigend, worüber Alles in die größte Bestürzung gerieth. Sogleich aufbrechen und den Verlornen nachsuchen, schien den Meisten das Beste; doch Andere, welche seine letzten Worte beim Weggehen wol vernommen hatten, widerriethen, da solches in der Nacht doch zu nichts helfen würde; sie wollten lieber nach dem ersten Hahnenschrei, mit welchem alle höllischen Geister die Erde verlassen und in ihre eigentliche Behausung zurückkehren, die Nachsuchung beginnen, da ihnen sonst der Teufel wer weiß wie viele Schlingen legen könnte. Bald war man diesem Vorschlage beigestimmt.

Der erste Hahnenruf erschallte etwa um zwei Uhr vom Wiemen herab. Mit ihm war das Zeichen zum Aufbruche gegeben. Alles rüstete sich zur Abreise. Jedoch noch hatten die Vordersten die Thüre nicht erreicht, als ihnen Johann, zwar leichenblaß und an allen Gliedern zitternd, im Übrigen aber gesund und wohlbehalten, sein Lägel in der Hand entgegen trat.

Nun ging es an ein Wundern, und des Fragens an Johann wollte kein Ende nehmen. Johann aber schwieg von seinem mährchenhaften Verschwinden wie das Grab, keine Sylbe war hierüber aus ihm heraus zu bringen. Er wurde von nun an ein ganz anderer Mensch und den Anfang machte er sofort, indem er sein Lägel niedersetzend sagte: „Nu hollt Fastelabend so vähl Jie willt, ick äwa gah tau Hus!“ („Nun haltet Fastnacht so viel Ihr wollt, ich aber gehe nach Hause“). Johanns Bekehrung war denn auch wirklich keine vorübergehende. War er vorher, der wildeste aller Knechte des Orts gewesen, wurde er jetzt gerade das Gegentheil. Zurückgezogen und still verlebte er die ersten zehn Jahre nach diesem Ereigniß, keinen Tanzboden besuchend und überhaupt alle fröhlichen Gesellschaften so viel wie thunlich meidend. Darnach fing er zwar wieder an, fröhliche Gesellschaften aufzusuchen und sich die Tanzlustbarkeiten anzusehen, doch nie hat er wieder versucht zu tanzen, nie hat seine Lippe den Branntewein und seine Hand die Karte wieder berührt.

Als er sich in seinen alten Tagen freier über das Erlebniß jener Nacht ausgesprochen, da hat man auch von ihm erfahren, daß sein Zurückbleiben an dem so verhängnißvollen und doch so segensreichen Abend Anfangs nur Folge von Ermattung gewesen sei, daß aber darnach, als er seine Gefährten aus dem Gesichte verloren hatte, er unversehens, selber nicht wissend, wie es eigentlich zugegangen, auf einen Ziegenbock zu reiten gekommen sei, der ihn durch die Lüfte davon getragen habe. Hoch über den Kirchthurm in Picher sei der Ritt hinweg gegangen und über alle die Oerter, in welchen er als Junge, Klein- oder Großknecht schon gedient hatte, bis er sich endlich, aller seiner Jugendgebete sich wieder erinnernd, so herzlich und inbrünstig wie nie im Gebet zu Gott gewendet und alles Gute angelobt habe. Als sein Gebet beendet, seien alle die Dörfer besucht gewesen, in denen er je gedient hatte, und in sausendem Ritte sei er mit seinem wunderbaren Reitpferde Krenzlin zugeeilt, wo eben vom Dorfe herauf der erste Hahnenruf an sein Ohr gedrungen sei. Bei diesem Geschrei sei der Ziegenbock aber, ihn eben nicht sanft absetzend, davon geeilt, worauf er so schnell wie möglich sich seiner Last, der zwei Kannen Branntewein, zu ledigen gesucht habe.

 

Die Kinderkuhle bei Dömitz, L. Kreutzer (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

In jener Zeit, da noch die Hexenprozesse in Deutschland, also auch in unserem lieben Mecklenburg, ihre traurige Rolle spielten, lebte in Dömitz eine Jungfrau, die allgemein geachtet und geehrt war. Sie besaß eine für die damalige Zeit außergewöhnliche Geschicklichkeit in Verfertigung allerlei kleiner Kunstsachen.

Die Kinder hingen mit Liebe an die sittige, sanfte Jungfrau und lernten wunderbar schnell selbst die kleinen Spiel- und Putzsachen verfertigen, wenn die Jungfrau sie darin unterrichtete. Das war der Dummheit unbegreiflich. Mit rechten Dingen könne so etwas nicht zugehen, meinte man. Die Jungfrau wurde gerichtlich eingezogen und sollte bekennen, daß sie mit dem Bösen im Bunde stehe. Sie betheuerte, beschwor ihre Unschuld. Aber die Folter bewies ihre Kraft und erpreßte aus der Unglücklichen das Geständniß der Zauberei. Doch damit waren die Blutmenschen nicht zufrieden. Die Arme mußte auch bekennen, daß auch die unschuldigen Kindlein in die Kunst der Zauberei eingeweiht seien.

An einem Morgen schleppte man die vermeintliche Hexe mit den unschuldigen Kleinen aus der Stadt, begleitet von einer großen Menschenmenge. An einem ziemlich großen Teiche machte der Zug Halt. Der Scharfrichter trat hervor, und den unglücklichen Geschöpfen wurden eines nach dem andern die Adern geöffnet, und ihr purpurrotes Blut rieselte hinab in den Teich, bis alle verblutet waren.

Das ist die „Kinderkuhle“ bei Dömitz, dicht hinter der sogenannten neuen Schleuse.

Der Sage nach sind in jüngerer Zeit in demselben Wasser sieben Kinder, die Confirmanden aus den beiden Dörfern Polz und Schmölen, ertrunken. Bei den kleinsten Kindern ist die „Kinderkuhle“ Gegenstand einer gewissen Verehrung, denn sie ist das Wasser, meinen sie, woraus der Storch ihre Schwesterchen und Brüderchen und sie selbst geholt habe.

 

Das untergegangene Kloster im See bei Neustadt, V. zu W. (aus „Mecklenburgische Volkssagen“)

 

Wenn ich in meiner Jugend von meinem Vater die Erlaubniß zum Schlittschuhlaufen auf dem Neustädter See erhalten hatte, war meine Großmutter während dieser Zeit immer in großer Unruhe, indem die tückische Eisfläche häufig ein Opfer forderte. Da ich gern Geschichten von ihr hören mogte, so erzählte sie mir selbige gern, wenn ich versprach, nicht nach dem See gehen zu wollen.

Nachstehende, dem Sagenkreise angehörende Erzählung ist mir noch besonders im Gedächtniß geblieben, und möge selbige hier ihren Platz finden. Ich lasse meine Großmutter selbst erzählen:

„Wo jetzt der Neustädter See in einer ebenen Fläche sich erstreckt, hat früher ein großes Kloster mit mächtigen Thürmen und herrlichen Glocken gestanden. [Nach einer andern Sage soll auf dem Grunde dieses Neustädter Sees, gewöhnlich der weiße See genannt, die alte versunkene Stadt Glebe liegen.] Die Bewohner sind aber sehr gottlos gewesen, und so ist endlich das Strafgericht Gottes über sie herein gebrochen. Das prächtige Kloster ist untergegangen und von aller seiner Pracht keine Spur übrig geblieben. Nur am Johannistage in der Mittagsstunde kann man, wenn man sich am Ufer des Sees auf die Erde legt und horcht, die Töne der Glocken dumpf aus der Tiefe heraus hören. Auch sehen Vorübergehende manchmal in hellen Nächten eine Klosterfrau am Ufer des Sees sitzen, welche eifrig mit Waschen beschäftigt ist und dazwischen laute Klagerufe ausstößt. Wenn diese Erscheinung stattgefunden hat, dann fordert der See in der nächsten Zeit wieder ein Opfer.

Es sind nun schon viele Jahre her, da hatte man zu verschiedenen Malen die Klosterfrau wieder am Ufer des Sees gesehen. Einige Tage darauf kam ein Kärrner mit seinem Fuhrwerk am See vorbei. Er wollte seine Pferde tränken und fuhr mit dem Wagen in den See hinein, wo er wenig Vorland hat, sondern schnell tief wird. Den bergabgehenden Wagen konnten die Pferde nicht mehr aufhalten, und der Mann fand mit seinen Pferden den Tod in den Wellen.“

„Auch vor einigen Wochen“, setzte die Großmutter warnend hinzu, „hat man die Klosterfrau wieder gesehen und ihren Ruf gehört, und der See will wieder sein Opfer haben. Darum gehe mir zu Liebe nicht auf den See, sondern bleibe auf den Wiesen der Elde, wo keine tückische Klosterfrau den Menschen nachstellt.“

 

Der Hexenmeister von Leussow

 

Einmal kam ein Hexenmeister nach Leussow und gab an, er könne durch einen dicken Eichbaum hindurch kriechen. Er machte sich auch daran, und alle Leute konnten sich nicht genug wundern. Da kam des Schulzen Tochter hinzu, die hatte ein vierblättriges Kleeblatt gefunden. Dagegen hilft aber kein Augenverblenden. So sah sie denn, dass der Mann gar nicht durch den Stamm hindurch kroch. Als sie dies den anderen Leuten sagte, wurde der Hexenmeister zornig, nahm seine Fiedel und fiedelte so lange, bis das Mädchen wie ein Kreisel drehte und zuletzt hinfiel. Als man sie aufrichtete, war sie an Händen und Füßen lahm und ist es auch zeitlebens geblieben.

 

Der Gefangene von Grebs

 

Zwischen Leussow und Menkendorf, nahe an der Rögnitz, liegt, von Wiesen eingeschlossen, der alte Burgwall der slawischen Smeldinger, ein hoher, kreisförmiger Erdwall, der auf der Westseite eine Einfahrt hat. Hier hauste vor vielen, vielen Jahren ein Räuber, der nicht nur das Geld und Gut der Bauern der ganzen Umgebung bedrohte, sondern zuletzt auch ein Mädchen aus Grebs gewaltsam entführte.

Der Mann war ein roher und gewalttätiger Mensch, wegen seiner Stärke und Verschlagenheit überall gefürchtet. Doch niemand wusste, wo sich der Räuber versteckt hielt. Sieben Jahre behielt der böse Mann das arme Mädchen bei sich und bekam jedes Jahr mit ihr ein Kind, dem er aber gleich nach der Geburt den Hals abschnitt. Da halfen all kein Weh und Ach und keine bitteren Tränen der Grebserin. Den abgeschnittenen Schädel warf der schreckliche Räuber in ein Ameisennest, holte ihn nach wenigen Tagen wieder heraus, und so prangten an seinem Gürtel sieben kleine Schädelchen, womit er auch seine Feinde abzuschrecken versuchte. Um sich aus diesem qualvollen Leben zu befreien, verbarg die Frau ihre Sehnsucht nach dem Heimatdorf und nach Freiheit und stellte sich ganz zufrieden. Wenn der Burgwallräuber von einem Beutezug aus den Dörfern heimkehrte, machte er ihr regelmäßig ein kostbares Geschenk. Doch nichts konnte sie über ihre Traurigkeit hinwegtrösten. Einst bat sie ihren Mann, den Eldenaer Herbstmarkt besuchen zu dürfen. Der Arglistige gestattete es, sie musste aber schwören, wiederzukommen und seinen Aufenthalt nicht zu verraten. Außerdem schüchterte er die ängstliche Frau ein und drohte, sonst grausam Rache nehmen zu wollen. Da versprach sie alles, zog los und machte sich auf den Weg nach Eldena. Hier traf sie ihre Bekannten und Verwandten, die sie längst tot geglaubt hatten und nun mit Fragen in sie drangen. Doch sie schüttelte immer nur den Kopf und verweigerte jede Auskunft, da sie geschworen hatte. Auch saß ihr die Angst vor dem Unhold im Nacken. Auf dem Markt kaufte die Grebserin allerlei Sachen, die sie gebrauchen konnte, aber auch einen Beutel mit Erbsen. Auf dem Rückweg streute sie diese auf dem Wege, den sie zum Burgwall nahm, aus. Ihre Verwandten folgten ihr jedoch heimlich von ferne.

Als sie in die Nähe des Räubernestes kam, erkannte sie an den Spuren des Pferdes, die nach außen gingen, dass der Räuber ausgeritten sei. Er hatte, um Verfolger zu täuschen, seinem Pferde die Hufeisen verkehrt aufgeschlagen. Jetzt kehrte das Mädchen zu ihren Verwandten zurück und beratschlagte mit ihnen. Jeden Mittag nach dem Essen musste sie sich auf des Mannes Schoß setzen und sein Haar streichen, bis er eingeschlafen war. Sie verabredeten nun, sie solle, wenn er eingeschlafen sei, ein langes Seil um seinen Hals legen, das wollten die Draußenstehenden anziehen und ihn so erwürgen. Am anderen Tag schlichen die Helfer unbemerkt wieder hinzu, und alles wurde in verabredeter Weise ausgeführt. So erhielt der Unhold seine Strafe, das Mädchen kehrte nach Grebs zurück. Die vorgefundenen Schätze teilten sich die Dorfbewohner.

 

Das Grab des Slawenkönigs Wantzka bei Karenz

 

In der Nähe des Dorfes Karenz liegt der Wantzeberg. Er führt der Sage nach seinen Namen nach dem alten Slawenkönig Wantzka. Der Fürst soll auf der so genannten Steinburg (Steenborg) begraben sein, einer der Kuppen, die sich auf den Höhen des Berges erheben. Der östliche Abhang der Steinburg führt den Namen Swantewit, auch Swanswit genannt. Hier sollen dem slawischen Gott Swantewit Opfer dargebracht worden sein.

Als der letzte Slawenkönig, der bei seinem Volk sehr beliebt war, starb, beschlossen sämtliche auf dem Berge wohnenden Slawen, alles Gold, Silber und Kupfer zusammenzubringen und ihrem König daraus Särge zu machen.

Es wurde ein Sarg aus Gold angefertigt, der Tote in ihn hineingelegt und der Sarg verschlossen. Der goldene Sarg wurde in einen silbernen, dieser in einen kupfernen gesetzt. Zuletzt türmten die Stammesangehörigen noch eine steinerne Packung darüber. Schild, Bogen und Schwert wurden dem Verstorbenen mit in die Grabanlage gelegt. Nach vielen Jahren prophezeite eine Frau, die einen Erdspiegel besaß, mit dem sie alle in der Erde verborgenen Schätze sehen konnte, dass das Begräbnis des Slawenkönigs auf dem Wantzeberg wäre. Viele versuchten in früheren Jahrhunderten schon in der bezeichneten Gegend das heimlich angelegte Grab zu finden. Es wird immer wieder erzählt, dass die vielen Löcher in den Wäldern auf den Hügeln von ihrer vergeblichen Arbeit zeugen. Einer alten Frau träumte einmal, sie sehe die Stelle, und es sei ihr offenbart worden, dass man zuerst auf Steine stoßen werde. Der Traum kehrte dreimal wieder. Sie hätte selbst nachgraben sollen! Die Frau sagte es aber ihrem Sahne, der mit einem Freunde auch an der Stelle nachgrub. Sie fanden zwar eine Menge Steine, aber keinen Sarg. So ist das Grob des Slawenfürsten immer noch nicht gefunden worden. Doch die Überlieferung verstummt nicht.

 

Ach viel zu früh bist du von mir gegangen

 

Dieses Gedicht, geschrieben vom Prediger in Gammelin, Andreas Friderich Jacob KOCH, anlässlich des Todes seiner 12-jährigen Tochter Louisa Elisabeth Christiana Ulrika Koch (+17.08. 1814, Parchim), befindet sich im Bestattungsbuch Gammelin 1788-1834 im Jahrgang 1814. Ich habe es, da er dem Gedicht keinen Namen gab, „Ach viel zu früh bist du von mir gegangen“, genannt. Ich fand es zu schade es einfach nur im Kirchenbuch zu belassen, nun kann es jeder lesen:

 

 

Ach viel zu früh bist du von mir gegangen

Du schöne, stolze Blume blühst nicht mehr!

Doch nein!  Und schöner noch wirst du jetzt prangen

Verpflanzt nach Eden überm Sternenheer.

 

Zerfallet immerhin ihr morschen Trümmer,

Verzehret die Hülle Todtenwürmer ihr,

doch unverzehret bleibt deine Seele immer

Sie wird nicht staub und sie verweilt nicht hier

 

Sie lebt unsterblich dort im Engelskleide

Dies ist der Lichtstrahl in dein finster Grab

sie lebt und schaut nun zu der Himmelsfreude

Verklärt auf dieses Tränenthal herab

 

So schlummer sanft in deiner kühlen Kammer

den Todesschlaf du heißgeliebte du!

Entflohen bist Du allen Erdenjammer

dein Loos ist lieblich süß sey deine ruh.

 

Einst geht dann auch am großen Tag der Erndte

Dein Staub hervor aus deiner finstern Gruft

der dich uns gab der dich von uns entfernte

Belebt ihn wenn er alle Todten ruft.

 

Dann wird er wieder glücklich uns vereinen

wir werden ewig dann beysammen sein

und dann nicht mehr der Trennung Thränen weinen

Nun ewig uns von Gottes Thron freun.

 

Dei witte Spök, Hans-Heinrich Klatt

 

Up den Schaulweg Malk/Göhren süll dat je vör Johren ok spöken. So ne Ort Kierl süll dor nachts rümmegeistern, säden wöck. Nu keem mal eins ’n Deern allein ut Malk von ’n Danzen – dat wier woll so nachts Klock twölf – un wull nah Göhren. Up einmal seg sei dor ’n swatten Kierl ankamen. Tauierst dacht sei, dat dei Kierl sei upluert harr un nah Hus bringen wull. Dei Kierl blew aewer bi so’n lütten Busch stahn un – weg wier hei! Nah’n Ogenblick keem hei wedder tau ’n Vörschjien; aewer wat wier dat? Nu seg hei ganz witt ut. „I“, dacht dei Deern, „dit kann nich up rechte Ort un Wies taugahn“ und kreegt lange Hacken.

Annern Morgen vertellte sei dat je ehren Vadder. Dei griente sick aewer banning un sädt: „Deern, du büst woll ’narsch! Dat wier’n Kierl, dei mößt mal ut dei Büxen.“

 

Hochzeitsbräuche, Prof. Dr. R. Pagenstecher

(„Mecklenburg“;  Zeitschrift des Heimatbundes Mecklenburg / Landesverein des Bundes Heimatschutz, 14. Jhrg., Nr. 2)

 

Die mecklenburgischen Hochzeitssitten, von denen G. Romberg im XIII. Jahrgang dieser Zeitschrift (1918) S. 66-68 erzählt hat, lassen sich durch uralte Traditionen erklären, welche allen Völkern der Erde zu allen Zeiten gemeinsam waren. Einzelne landschaftliche Besonderheiten, die festzustellen stets wünschenswert und fördernd ist, finden ohne Schwierigkeit ihre Deutung, sobald man sie auf die beiden primitiven Grundgedanken des Volksbrauches zurückführt: Schutz vor bösen Geistern und – bei Hochzeiten – Sicherung der ehelichen Fruchtbarkeit.

Von den Groß Laascher Hochzeitssitten gehört der ersten Kategorie der Brauch an, den Brautzug mit brennenden Lichtern zu begeleiten. Die Kerzen, welche auf dem Altar brennen, welche bei Leichenfeiern den Sarg umgeben, welche die Braut zur Kirche gleiten, sie alle haben die gleiche Bedeutung; die bösen Geister die das Licht scheuen, fern zu halten. An solchen Wendepunkten des Lebens, wie es Hochzeit und Tod sind (so auch bei der Geburt und bei heiligen Handlungen) ist das böse Element besonders zu fürchten, und nichts darf vernachlässigt werden um es von Haus und Hof und vor allem von den Menschen, die den Mittelpunkt der Feier bilden, fern zu halten, und zu verhindern, daß sie in den Körper eindringen. Darum geleiteten im alten Griechenland und Rom Fackelträger der Brautzug; nicht anders im neuen Griechenland, wo auch das Brautpaar selbst mit Fackeln einherschreitet und am Altar aus der Hand des Priesters Lichter entgegennimmt. Ähnliche Sitten finden sich in Hannover und der Eifel. An anderen Orten stellt man brennende Lichter auf dem Tischplatz des Brautpaares auf. Nicht anders ist der „Rückerei“ übliche „Lärm auf Blechpfannen und Deckeln“ zu deuten, den vor der eigentlichen Musik schreitende Teilnehmer vollführen. Durch ihn werden, wie durch das Zerschmettern von Gefäßen am Polterabend, die Geister erschreckt und davongejagt. Übel abwehrende Bedeutung kommt endlich auch der roten Farbe der Seidentücher zu, die in möglichst großer Zahl „am Hut und am Zaumzeug des Pferdes“ der Hochzeitsbitter angebracht werden müssen.

Zu solchen Abwehrriten tritt bei Hochzeitsfeiern der Fruchtbarkeitszauber. Die Verteilung von Nüssen und von Äpfeln, in welche man Geld steckt, ist ein überall verbreiteter Brauch, welcher durch die Analogie der Vegetationsfruchtkeit die menschliche befördern soll. Der grüne Kranz der Braut gehört in selben Kreis, als ein Symbol, das bereits dem Altertum bekannt war. Daß Groß Laasch der Kranz aus Metall und hoch aufgerichtetem glänzenden Blüten geht, hängt wiederum mit dem Geisterglauben zusammen: das glänzende Metall ?eckt die bösen Dämonen.

Die irdenen Schalen, von denen beim Hochzeitsschmaus gespeist wird, sind schön bemalt mit Tierbildern (bes. Hase, Hahn). Auch diese Bilder werden ihre Bedeutung haben. Es kann kein Zufall sein, daß gerade Hahn und Hase, die ?n im klassischen Altertum als Symbole der Fruchtbarkeit galten, und als solche Attribute der Aphrodite waren, die Teller schmücken. Aus diesem Grunde stellt der Osterhase zu der Jahreszeit, während welcher sich die Welt erneuert, seine ??le, aus diesem Grunde wird der Hahn bei böhmischen Hochzeiten geopfert als Tier, das Segen bringt allen, welche mit seinem Blut bespritz werden.

Im mecklenburgischen Brauch ist diese Idee soweit abgeschwächt, dass die segen- ??denden Tiere nur noch im Bild die Teller zieren, so wie an die Stelle des Opfertieres im Altertum dessen Nachbildung in Ton oder ein Kuchen mit seinem ??de treten konnte.

Vielleicht ist auch der Knoten im Laken, mit dem sich die Brautführer ??fnen, um die junge Frau gegen ihre Verführer zu verteidigen, nicht ohne einen ??eren Sinn. Uralter Volksbrauch ist es, bei der Entbindung alle Knoten im ??se und an den Kleidern und Haaren der Frau zu lösen, um die Geburt zu ??ichtern. In manchen Gegenden muß schon bei der Hochzeit ein Knoten am ?telgurt, an den Kleidern der Brautleute aufgeknüpft werden. Es ist durchaus denkbar, daß der Knoten im Laken dem gleichen Zweck dient: aufgelöst zu ??den. Um diese Frage beurteilen zu können, müsste man wissen, ob sich noch ??nd eine Zeremonie mit dem entknoteten Tuch erhalten hat.

Auch das Kleinste und scheinbar Unwichtigste darf nicht übersehen werden, ? man in die Denkweise und in die ältesten Traditionen des Volkes eindringen ? sein Leben und seine Feste verstehen lernen.

 

 

Folgende zwei Texte stehen am Ende des Jahres 1807 im Kirchenbuch Dömitz (Taufbuch/Bestattungsbuch) und geben einen Einblick in die damalige Denkweise, sowie Informationen über das Wetter und die Ernte des Jahres 1807

 

1807, Mag. Johann Christoph David Joachim Dieterich Hartmann

 

Durch den Beispiellosen Krieg, der  fast alle Mächte Europas wieder einander verwickelte, und wobei Frankreich, Russland, Preußen und der Türkische Sultan auf dem Continente die Hauptrollen spielten, wurde das geendigte Jahr das merckwürdigste in der Geschichte der neueren Zeit. Dahin gehört besonders, daß der Krieg zwischen Frankreich und Preußen sich ganz zum Nachtheil des letztern endigte, indem das ganze Königreich Preußen von Hollands Grenzen bis hinter den Ufern der Pregel in allen seinen Theilen von den siegenden Kaiserl. Königl. französischen Truppen und den Alliierten besetzt und errbart? wurde. Nun erst nachdem zwischen Russlands und Frankreichs Beherrschern geschloßenen Frieden wurde der König von Preußen in einen Theil seiner vorigen Besitzungen wieder eingesetzt, und die Elbe zur Grenze bestimmt. Alle Länder jenseits der Elbe blieben in den Händen der Sieger und selbst in dem diesseitigen Theile des vorigen Königreichs wurden auch ansehnliche Districkte und unter denselben die wichtige Stadt Danzig mit deren Gebiet von dem kleinen Überreste getrennt. Zu den von Frankreichs Kaiser schon gestifteten neuen Königreichen, wurde in dem geendigten Jahre noch das Königreich Sachsen und das Königreich Westphalen errichtet und hinzugefügt, es wurde der Rheinbund erweitert und geschloßen und vielen Deutschen Fürstenthümern eine neue Gestalt gegeben. Unser durchl. Herzog, welcher mit seiner erlauchten Familie im Anfange des geendigten Jahres seine Erbländer verließ, und 26 Wochen hindurch in Altona seinen Aufenthalt genommen hatte, wurde durch Russlands Vermittelung zur größten Freude aller guten Unterthanen wieder in seine Länder eingesetzt und hielte am 11ten July seinen feierlichen und glänzenden Einzug in Schwerin. Doch wurde auch diese gerechte? Freude durch einen neuen Schmerz verbittert, indem deßen durchl. Gemahlin, unsere gnädigst regierende Herzogin noch am Schluß des verfloßenen Jahres von einer Krankheit betroffen wurde, und zum größten Leidwesen des ganzen Herzoglichen Hauses und Landes am 11ten Januar Morgens um 7 Uhr d.J. verschied.

 

Das verflossene 1807te Jahr war im Ganzen genommen ein für uns fruchtbares Jahr. Ganz vorzüglich ergiebig war dasselbige an Stroh und Futter, so wie an Eichmastung und Baumfrüchten; dahingegen die Erdfrüchte und Kartoffeln nicht so reichlich ausfielen. Ein ansehnlicher Theil des Sommers ward druckwürdig durch seine außerordendlich drückende Hitze, die in den südlichen Provinzen des Deutschen Reichs vielen Nachtheil verursachte, bei uns aber einen Überfluß beschwerlicher Inseckten besonders Mücken erzeugte. Häufige und starke Gewitter durchkreutzen unsere Gegend schon früher und von allen Richtungen, jedoch ohne in unserem Lande irgend einen bedeutenden Schaden zu thun. Dahingegen wurde durch den muthwilligen Leichtsinn eines Knaben ein großer Theil des hier eingepfarrten Dorfes Polz in die Asche gelegt, wobei nicht allein viel Vieh sondern auch das Kind eines Dorfbewohners von den wüthenden Flammen mit verzehret, und mehr als 60 Persohnen, worunter auch 4 Hauswirthsfamilien fast aller ihrer Haabe und Obdachs beraubt wurden.

 

Die Mühlenwerke Markurth in Findenwirunshier, Hermann Otto

 

Die Mühle „Findenwirunshier“ ist im Jahre 1576 erbaut. Sie war anfänglich und Jahrhunderte hindurch eine schlichte Wassermühle, auf einer Insel in der Elde angelegt, nach der die Mühle noch gegenwärtig ihren Namen führt. Wie Insel und Mühle zu dem Namen gekommen sind, darüber berichtet die Sage wie folgt:

„Zwei mecklenburgische Brüder gingen auf die Wanderschaft. Bald trennten sich ihre Wege, und bei den damaligen zeit- und Verkehrsverhältnissen hörte niemand mehr von dem andern. Der eine der Brüder kehrte nach Jahren in die mecklenburgische Heimat zurück, fand Beschäftigung als Müllergeselle auf der Wassermühle in Kaliß, und da er ein tüchtiger Müller und braver Mann war, gab ihm der Besitzer seine Tochter zur Frau. Nach dem Tode des Schwiegervaters wurde er Besitzer der Mühle, die er weiter ausbaute und für damalige Zeiten zu einem ansehnlichen Betriebe entwickelte.

Zwanzig Jahre waren seit der Trennung der beiden Brüder ins Land gegangen. Der Müller saß mit seiner Frau, mit der er eine glückliche Ehe führte, und mit seinen Kindern am Weihnachtstische. Da klopft es an der Tür. Ein Mann tritt herein, der von langer Wanderschaft kommt. Er wird an den Familientisch geladen, und er berichtet von den langen Jahren in der Fremde. Ein Wort gibt das andere, und im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, daß der Fremde der Bruder des Müllers ist, der verwundert und zugleich erfreut ausruft: “Finden wir uns hier?“. Er behielt den Bruder bei sich, der ihm ein treuer, zuverlässiger und fleißiger Mitarbeiter im Müllergewerbe wurde. Mit vereinten Kräften führten die beiden Brüder den Betrieb zu ansehnlicher Blüte.“

 

Wie lange die Mühle im Besitz der Familie, von der  - der Sage nach – der Name stammt, gewesen ist, wissen wir nicht. Aber bekannt ist, daß das Müllereigewerbe verhältnismäßig auf hoher Stufe stand. Die Meister waren zu Innungen zusammengeschlossen, die sich bemühten, einen tüchtigen Nachwuchs heranzubilden. Davon gibt das nachstehende Gesellenzeugnis kunde, das zu der Mühle „Findenwirunshier“ in Beziehung steht. Es hat folgenden Wortlaut:

 

„Wir geschworene Alter-Leute und andere Meister des löblichen Handwerks der Müller, in der Hochfürstlichen Mecklenburger Stadt Güstrow, bescheinigen hiemit, daß der gegenwärtiger Gesell, Nahmens Caspar Fenshen (Fenßen?) von Wasow gebürtig, so 20 Jahre alt, und von Statur mittelmäßig auch gelbliche Haaren, bey uns allhier 1 Jahr – Wochen in Arbeit gestanden, und zwar bey dem Mühlenmeister Plagemann in der Mühle Findenwirunshier und sich solche Zeit über treu, fleißig, still, friedsam und ehrlich, wie einem jeglichen Mühlenburschen gebühret, verhalten, welches wir also attestiren, und deshalben unsere sämtliche Mit-Meister, diesen Gesellen nach Handwerks-Gebrauch überall zu fördern, geziemend ersuchen wollen.

Güstrow, den 6. September Anno 1786,

Unterschriften der Alter-Leute und Landen-Meister; Stadtsiegel Güstrow“

 

Wie lange vorher der in vorstehender Urkunde genannte Plagemann samt seinen Vorfahren im Besitz der Mühle gewesen ist, wissen wir nicht. Aber das ist uns bekannt, das bald nach dem Jahre 1786 ein Markurth als Mühlenbesitzer der Wassermühle“ Findenwirunshier“ auftritt. Bestimmt seit dem Jahre 1790 ist die Familie Markurth bis heute ohne Unterbrechung Besitzer dieses in unserer nächsten Nähe bedeutsamen Müllereibetriebes. Mit klugem Geschäftssinn haben die Glieder der Familie sich der Entwicklung entsprechend umzustellen gewusst. 1876 richteten sie eine Handelsmüllerei ein. 1903/04 wurde die Mühle im Innern völlig umgebaut und für automatischen Betrieb eingerichtet. Aber fortgesetzt bis in unsere Tage sind Verbesserungen und Vergrößerungen vorgenommen worden, so daß heute das Werk technisch auf voller Höhe steht. Ein Gang durch die Mühle zeigt, daß Staubfilteranlage, Reinigungsmaschinen, Getreidewaschanstalt, Silospeicher ebenso den neuzeitlichen Anforderungen entsprechen wie die verschiedenen zahlreichen Mahlgänge und die Lokomobilen. So ist es erklärlich, daß die täglichen Leistungen der Mühle ohne Höchstanspannung ein Vermahlen von 50 Tonnen (1000 Zentner) Getreide aufweisen. Gemahlen werden Roggen und Weizen.

Der Umfang des Geschäftsbetriebes erstreckt sich auf 150 Kilometer im Umkreise. Zu seiner Bewältigung diesen eigene Gespanne, Lastautos, Motorkähne und in großem Umfange auch die Eisenbahn, zu der die Lastautos als Zubringer Verwendung finden. Daneben besteht ein mustergültiger landwirtschaftlicher Nebenbetrieb mit Getreidebau, Riesel- und anderen Wiesen, Rindvieh- und Schweinezucht.

 

 

wird erweitert…

 

Autor

Hier lesbarer Titel

GIESE, J.J.F.

Wunderbare Erlebnisse eines Knechts aus Alt-Krenzlin bei Ludwigslust in einer Fastnachtsnacht

GILLHOFF, Johannes

Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer

HARTMANN, J. C. D. J. D.

1807

JÜRGENS, Albert

Hauptfach Religion

KLATT, Alice

Wat? Du wist Schaulliehrer sein…?

KLATT, Hans Heinrich

Christenglauben

KLATT, Hans Heinrich

Das erste Veloziped in Ludwigslust

KLATT, Hans Heinrich

Dei Spök von ’n Wischengang

KLATT, Hans Heinrich

Dei witte Spök

KLATT, Hans Heinrich

Frühling

KLATT, Hans Heinrich

Wenn bei Capri die rote Sonne

KLATT, Hans Heinrich

Zum Namen Grise Gegend

KOCH, Andreas F.J.

Ach viel zu früh bist du von mir gegangen

KREUTZER, L.

Der spukende Bürgermeister auf dem Mittelwerder bei Dömitz

KREUTZER, L.

Die goldene Wiege im Kibitzberge bei Dömitz

KREUTZER, L.

Die Kinderkuhle bei Dömitz

NEUMANN, G. F. C.

Der spukende Trommelschläger in dem unterirdischen Gange zwischen der Festung Dömitz und der hannoverschen Stadt Danneberg

OTTO, Hermann

Die Mühlenwerke Markurth in Findenwirunshier

PAGENSTECHER, R.

Hochzeitsbräuche

ROßMANN, Rolf

1741: „Pferdemusterung“ und ihre Folgen

ROßMANN, Rolf

Anekdote um eine Präsidententochter

ROßMANN, Rolf

Der Bau der Eisenbahn Ludwigslust - Dömitz brauchte einen langen Anlauf

ROßMANN, Rolf

Der lange Tischler

ROßMANN, Rolf

Die Sage vom Weißen Roß

ROßMANN, Rolf

Eldena gehörte einst zum Kirchspiel Malk

ROßMANN, Rolf

Freud oewer dat nige Hus

ROßMANN, Rolf

Gutes Geld für gute Noten

ROßMANN, Rolf

Hexenwahn im 17. Jahrhundert, auch in Göhren

ROßMANN, Rolf

Im November 1893 gründete sich die Molkerei-Genossenschaft Eldena

ROßMANN, Rolf

Luftpostpioniere 1919 bei Dömitz notgelandet

ROßMANN, Rolf

Luftschiffe über Südwestmecklenburg

ROßMANN, Rolf

Natascha starb kurz vor Kriegsende

ROßMANN, Rolf

Vom Marinearsenal in Malliß

ROßMANN, Rolf

Von Malliß nach Lübtheen fuhr man mit der Eisenbahn

ROßMANN, Rolf

Wandertage zum Alt-Kalißer Reuterstein haben Tradition

SCHENCKE, Bernhardine

Die alte Mühle

SCHENCKE, Bernhardine

Die Baugeister

SCHENCKE, Bernhardine

Die Schlangenkönigin

SCHENCKE, Bernhardine

Räuber Wockerpenning

THEE, Hans-Ulrich

1985 begeht Grebs das 700jährige Jubiläum

THEE, Hans-Ulrich

Als noch getreidelt wurde

THEE, Hans-Ulrich

Als die Elde zum erste Male erwähnt wurde

THEE, Hans-Ulrich

Gütertransport auf der Elde

 

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Quellenverzeichnis:

‚Erde will ich wieder werden’; Selbstverlag (R. Klatt); Potsdam 2002

‚Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher und Mecklenburg-Strelitzscher Kalender’ (jetzt Hinstorff);

‚Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer’; Johannes Gillhoff; 1917

‚Sagen – Geschichten – Aberglauben’; Bent M. Scharfenberg; Berlin 2003

‚Schulerinnerungen aus Mecklenburg’; Husum; Husum 1992

„Schweriner Volkszeitung“, Schwerin, 1979

„Mecklenburg Magazin“ vom 21.08.1998

sowie Beiträge im ‚Ludwigsluster Tageblatt’ 1995, 1996, 1997, 1998, 2007

„Land und Leute“ Heft 2,3/1959

„Mecklenburgs Volkssagen“; M. Dr. A. Niederhöffer, Leipzig 1859

„Mecklenburg, Zeitschrift des Heimatbundes Mecklenburg / Landesverein des Bundes Heimatschutz“; 1919